Mit seinem gefürchteten Tempospiel verblüfft der TSB Gmünd den VfL Waiblingen und vermasselt den Gastgebern damit am letzten Spieltag die Meisterschaft. Die „Jets“ wiederum sichern sich durch ihren 32:29 (20:18) – Auswärtscoup den neunten Tabellenplatz.
Der letzte Eindruck bleibt bekanntlich im Kopf. Umso mehr genossen die TSBler am Samstagabend das Gefühl eines ganz besonderen, weil völlig unerwarteten Sieges. 600 Zuschauer waren zum letzten Oberliga-Auftritt des VfL Waiblingen in die Rundsporthalle gepilgert, nachdem die „Tigers“ bereits eine Woche zuvor den direkten Durchmarsch in die 3.Liga perfekt gemacht hatten. Der TSB aber stahl den Hausherren nicht nur die Show, sondern auch den Meisterwimpel – dieser wanderte durch die Gmünder Schützenhilfe zur TGS Pforzheim, die ihre Pflichtaufgabe beim Schlusslicht TuS Steißlingen souverän mit 33:23 meisterte.
Eine Konstellation, die Michael Stettner allerdings gar nicht so recht zur Kenntnis nehmen wollte. Der TSB-Trainer war einfach nur glücklich über eine „bewundernswerte Energieleistung“ seiner Mannen, die auf der Zielgeraden zehn von zwölf möglichen Punkten holten und damit wie erhofft in der oberen Tabellenhälfte landeten: „Wir haben uns nochmal für eine richtig ordentliche Saison belohnt, was so nicht vorherzusehen war.“ Denn ohne die beiden Leistungsträger Andreas Maier und Jan Spindler, der aufgrund einer Rückenprellung von der Tribüne aus mitfieberte, hatte man sich beim vorherigen Klassenprimus eigentlich nur geringe Chancen ausgerechnet. Doch die Gmünder waren keinesfalls gewillt, nur als Statisten bei der großen Aufstiegsparty mitzuwirken.
„Es war schon zu spüren, dass es für Waiblingen eigentlich um nichts mehr ging“, gab Stettner zwar zu bedenken. Was allerdings nicht den leidenschaftlichen und kämpferischen Auftritt schmälern sollte, nachdem in der 3.Minute zunächst ein 0:2-Rückstand auf der Anzeigetafel stand. Davon ließ sich der TSB aber ebenso wenig beeindrucken wie von der stimmungsvollen Kulisse. Mit schnellem, druckvollen Spiel wurde Waiblingen ein ums andere Mal überrumpelt. Kapitän Nicola Rascher, mit 239/74 Toren drittbester Werfer in dieser Oberliga-Saison, markierte durch einen verdeckten Schlagwurf den 4:4-Gleichstand (6.). Als Eric Zimmermann die Gäste dann sogar erstmals in Front brachte, schmetterte VfL-Coach Tim Baumgart leicht entnervt die Grüne Karte auf den Zeitnehmertisch – der Aufsteiger war in die Gmünder Tempo-Falle getappt. „Wacht mal auf jetzt“, war es deutlich aus der Auszeit-Besprechung zu vernehmen.
Doch nach dem 6:6 (8.) nahm der TSB dem Waiblinger Angriffswirbel weiter die Luft aus den Segeln. Die Paraden von Tormann Daniel Mühleisen veredelte Patrick Watzl per Gegenstoß zur ersten Zwei Tore-Führung. Da auch die Rückraumlenker Nicola Rascher und Tom Abt kaum zu bremsen waren, rieben sich viele Fans beim Stand von 10:15 (19.) verwundert die Augen. Ebenso beeindruckt wirkte der Favorit, der aber ebenfalls durch Highspeed-Handball glänzte und sich von 14:19 (25.) auf 18:19 (29.) herantastete. Der TSB scheiterte in dieser Phase mehrfach am Aluminium. Erst unmittelbar vor der Pause tankte sich Abt nochmals entschlossen durch, um den 20.Gästetreffer zu markieren. Einen letzten direkten Freiwurf lenkte Mühleisen dann mit der Hand über die Latte.
Entsprechend beflügelt kehrten die Jets aus der Kabine zurück, der pfeilschnelle Zimmermann sowie Youngster Jonas Schwenk stellten prompt auf 19:22 (33.). Höchst unterhaltsam setzte sich der hektische, aber faire Schlagabtausch fort – die beiden Unparteiischen mussten nicht eine einzige Zeitstrafe verhängen. Obwohl die Kräfte schwanden, blieben die ersatzgeschwächten Gmünder konzentriert und bestraften die gegnerischen Nachlässigkeiten eiskalt. So etwa, als Zimmermann im Zeitspiel einen unerwarteten Steckpass an den Kreis spielte, von wo aus der blank stehende Jonas Waldenmaier zum 23:26 (44.) vollstreckte. Nur kurz darauf packte der bullige Kreisläufer einen filigranen Lupfer aus, doch trotz Vier Tore-Polster war die Messe noch längst nicht gelesen.
Es folgte Waiblingens letzter Anlauf, um Partie und Meisterschaft doch noch an sich zu reißen. Nach drei Toren in Folge bebte die Halle, doch der TSB bewies eine in den vergangenen Monaten oftmals vermisste Kaltschnäuzigkeit. „Ich hatte ein gutes Gefühl, weil ich diesen Wurf bislang noch nicht ausgepackt hatte – und das ist gut gegangen“, so kommentierte Abt seinen sechsten und wohl wichtigsten Treffer zum 26:28 (54.). Passend dazu lieferte Rückhalt Mühleisen – der sich noch Hoffnungen machen darf, zur Beachhandball-Europameister in der kommenden Woche nachzurücken – zwei weitere Glanztaten zur genau richtigen Zeit. Gegen Marc Leinhos parierte er einen weiteren Strafwurf, auf der Gegenseite hingegen blieb Rascher von der Siebenmeterlinie cool und verwandelte zum 27:31 (57.). Waiblingen steckte nicht auf, bevor Watzl mit einem Distanzwurf ins leer stehende Gehäuse den 29:32-Endstand besiegelte.
Anschließend ließen sich anschließend beide Teams für ein mitreißendes Finale der Oberliga-Mammutsaison feiern. Die Waiblinger hatten zwar den Meisterwimpel, nicht aber den Aufstieg und ihre Partylaune verloren. Der TSB wiederum verabschiedete sich entkräftet, aber hoch erhobenen Hauptes in die wohlverdiente Sommerpause. „Alle sind froh darüber und sich einig, dass die Runde mit 34 Spielen viel zu lang war“, erklärte Stettner. Die Bilanz seiner Premierensaison könnte mit dem ungefährdeten Klassenerhalt und dem Ruf als Favoritenschreck kaum schöner ausfallen. Oder um es mit den Worten des Trainers zu sagen: „Das war einfach ein geiler Sieg und ein cooler Abschluss.“