Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: Mit dem TSV Amicitia Viernheim empfängt der TSB Gmünd am Samstag (19:30 Uhr) einen unberechenbaren Liganeuling zum "Alles oder Nichts"-Duell
Erstmals konnte sich zur laufenden Saison ein Team aus Südhessen für die baden-württembergische Oberliga qualifizieren: Der Verein mit dem lateinischen Namen "Amicitia" (Freundschaft), 2008 aus der Fusion der beiden Traditionsvereine TSV Viernheim 1906 sowie SpVgg Amicitia Viernheim 1909 hervorgegangen, trat einst dem hessischen Verband bei, ist aber dennoch in den Spielbetrieb des Badischen Verbandes eingegliedert.
Nach mehreren vergeblichen Anläufen wurde der Viernheimer Oberliga-Traum erst im vergangenen Sommer Realität: Mit 50:2 Punkten war den Blau-Grünen in der Badenliga ein beeindruckender Durchmarsch gelungen, die vorzeitige Meistersause gab es bereits im März. Der langersehnte Aufstieg erscheint als logische Konsequenz, denn nur hauchdünn war man in den Vorjahren am großen Wurf vorbeigeschrammt: In der Saison 2014/15 reichte erreichte der TSV nur den zweiten Rang hinter dem TV Bretten, in der finalen Relegationsrunde gegen den TV Plochingen fehlte ein einziger Treffer zum großen Wurf. Im Jahr darauf hatte sich Amicitia rein sportlich die Meisterschaft gesichert, doch da das Schiedsrichtersoll nicht erfüllt wurde, wurde ein Abzug von fünf Punkten verhängt, weshalb die SG Heddesheim vorbeiziehen konnte. In einem erneut extrem dramatischen Relegationsduell gegen die SG Lauterstein (23:26 und 29:29) zogen die Südhessen dann erneut den Kürzeren. Der jetzige TSB-Linksaußen Nico Krauß hatte in diesen entscheidenden Partien übrigens fünf Treffer für die SG beigesteuert.
Im Abenteuer Viertklassigkeit bauen die Viernheimer im Kern auf ihre Aufstiegsmannschaft, welche durch junge Spieler aus der Region gezielt verstärkt wurde. Für den laut Aufstiegstrainer Frank Schmitt "krassen Außenseiter" ist der Klassenerhalt das "einzig realistische Ziel", zumal die vergangenen Jahre aufzeigten, wie schwer es Liganeulinge aus Nordbaden in der Oberliga haben: Bretten wie auch Heddesheim mussten die Klassen postwendend verlassen. Diesen "Fluch" will Amicitia nun brechen – und war mit überzeugenden Leistungen in den Hinrunde auf dem richtigen Weg. Zu keiner Zeit war der Neuling absolut chancenlos und bewies eindrucksvoll, dass der anvisierte Klassenverbleib keinesfalls eine Utopie ist und feierte sogar beim Meisterschaftsfavoriten TV Willstätt einen unerwarteten 30:26-Coup. Da war die Welt bei den euphorisierten Südhessen in Ordnung, doch mit der 27:34-Heimniederlage gegen den TSB Gmünd folgten fünf Niederlagen nacheinander. Bei jenem Hinspiel im November belohnte sich das Hieber-Team mit dem ersten von bislang erst zwei Auswärtssiegen für eine absolute Glanzleistung in der Viernheimer Rudolf-Harbig-Halle.
Amicitia konnte seitdem nur noch zwei weitere Siege verbuchen und stellt mit erst 5 Pluspunkten das schwächste Rückrundenteam ligaweit. Der erste Paukenschlag erfolgte bereits Anfang Februar mit der Trennung von Frank Schmitt nach über sechs Jahren, welche allerdings nicht der prekären sportlichen Situation geschuldet war. Vielmehr hatte der Erfolgscoach trotz einer bestehenden Zusage mitgeteilt, dass er zur neuen Saison den benachbarten Drittligisten SG Leutershausen trainieren werde – nach dieser überraschenden Entscheidung verständigten sich beide Seiten darauf, das Engagement bei Amicitia mit sofortiger Wirkung zu beenden. Nachfolger wurde der seitherige Co-Trainer Mirco Ritter, der gegen den direkten Konkurrenten Blaustein (37:31) einen gelungenen Einstand bejubeln konnte. Durch den anhaltenden Negativtrend wurden die Sorgenfalten immer größer, doch trotz einiger unnötiger Punktverluste verfallen die Verantwortlichen nicht in Panik. „Es ist nach wie vor alles extrem eng beisammen, aber wir müsssen Siege feiern, um nicht vorzeitig abreißen zu lassen. Wir gehen davon aus, dass 24 Punkte zum Klassenerhalt reichen sollte. Viel weniger dürfen es in dieser engen Liga aber auch nicht werden“, so äußerte sich Abteilungsleiter Ralf Schaal im "Mannheimer Morgen". Im Rückspiel gegen Willstätt zeigten die Südhessen am vergangenen Samstag großen Kampfgeist und mussten sich dem Tabellendritten nach einem lange Zeit offenen Spiel dennoch mit 29:35 geschlagen geben.
Vor dem anstehenden "Alles oder Nichts-Duell" in der Gmünder Großsporthalle sollte der TSB daher vor der Stärke des Neulings gewarnt sein. Nicht zuletzt auch deshalb, da Lokalrivale Lauterstein in beiden Duellen mit dem TSV Amicitia (24:36 und 22:35) ein Fiasko erlebte. So sind die mit 17:35 Punkten gleichauf liegenden Gäste ein unberechenbarer und umso gefährlicher Kontrahent, der die Punkte im Abstiegskampf ebenso dringend benötigt wie der TSB selbst. Denn das Viernheimer Restprogramm beinhaltet neben den direkten Duellen in Gmünd und Deizisau zwei äußerst knifflige Heimspiele gegen Aufstiegskandidat Herrenberg sowie den TV Plochingen. Mit ihren zahlreichen begeisterten Anhängern wollen die Blau-Grünen nun den Klassenerhalt und die eigene Erfolgsgeschichte fortsetzen, weshalb man die 175 Kilometer weite Anreise mit einem vollbesetzten Fanbus antreten wird.
(Nico Schoch)