Stefan Klaus: "Als Favorit würde ich uns definitiv nicht bezeichnen"
Klartext: TSB-Trainer Stefan Klaus und Patrick Schamberger sprechen im Interview über die Aussichten für die kommende Saison
Beim TSB Gmünd wurde in der vergangenen Woche eine neue Ära eingeläutet: Beim Trainingsauftakt übernahmen der neue Chefcoach Stefan Klaus (40) und sein Assistent Patrick Schamberger (32) erstmals die Verantwortung beim Oberliga-Absteiger. Mit einem kleinen Kader und eher bescheidenen Ambitionen bereiten sich die TSBler auf das Abenteuer Württembergliga Süd vor. Das neue Trainergespann beschreibt im ausführlichen Gespräch mit Nico Schoch sprach die ersten Eindrücke, die Highlights der knapp dreimonatigen Vorbereitungsphase sowie die Aussichten für die kommende Spielzeit.
Hallo Stefan, als vor knapp einem halben Jahr dein Wechsel zum TSB Gmünd öffentlich gemacht wurde, hast du gegenüber der Gmünder Presse geäußerst, "keinerlei Gedanken an einen Abstieg zu verschwenden". Ist es für dich besonders ärgerlich, sich nun doch in der Württembergliga wiederfinden?
Klaus: Es ist jedenfalls richtig schade, dass Gmünd die BW-Oberliga nicht halten konnte. Doch damit müssen wir jetzt leben. Für uns beginnt nun eine neue Herausforderung in der Württembergliga und das wird ambitioniert genug. Die BWOL wäre mir natürlich auch lieber gewesen, das sage ich offen und ehrlich. Aber die Ligazugehörigkeit ist für mich keine Entscheidungsgrundlage gewesen. Jetzt gilt es, dass wir uns in der Vorbereitung als Mannschaft finden und den Abstieg aus den Köpfen herausbekommen. Wir wollen einen Neuanfang starten und sind dabei guter Dinge. Und eben einen Art Neuanfang hier starten wollen. Da sind wir guter Dinge.
Wird nach dem Abstieg viel moralische Aufbauarbeit nötig sein?
Klaus: Das kann man nicht pauschal sagen. Einige stecken das innerhalb weniger Tage weg, an manchen hingegen knabbert das monatelang. Es ist wichtig, dass wir uns nun auf die eigenen Stärken besinnen und auf unser vorhandenes Potenzial aufbauen. Gleichzeitig muss analysiert werden, was im vergangenen Jahr gut gelaufen ist und was nicht. Es ist vermutlich mehr schlecht gelaufen, sonst hätte der TSB die Klasse gehalten. Wir müssen jetzt nach vorne schauen, Qualität ist genügend vorhanden.
Stichwort Neuanfang. Welche neuen Impulse will das neue Trainerduo setzen?
Klaus: Es ist erstmal wichtig, Grundlagen im Kraft- und Ausdauerbereich zu legen und gleichzeitig den Spaß wieder zurückbringen. Sicherlich war es im Abstiegskampf kein Selbstläufer für die Spieler, immer mit Freude ins Training zu kommen. Wir wollen einen wichtigen Impuks setzen, indem wir positive Gedanken ins Team bringen. Was wir in der handballtaktischen Ausrichtung verändern wollen, wird sich innerhalb der Vorbereitung ergeben und wir werden die richtigen Schlüsse ziehen, um eine vernünftige Runde zu spielen.
Schamberger: Konkret haben wir im Athletikbereich einen Krafttrainingsplan eingeführt, um die Jungs besser an die Hand nehmen zu können. Für jede Position wurde ein eigener Trainingsplan zusammengestellt, damit sich im Fitnessstudio jeder Einzelne gezielt vorbereiten kann. Darüber hinaus haben wir ein zusätzliches Trainingslager eingeführt, um als Team besser zusammenzufinden und natürlich auch die neuen jungen Spieler zu integrieren.
Welchen ersten Eindruck hast du von deiner neuen Mannschaft? Die meisten kennst du ja bereits...
Klaus: Wir haben einen vernünftigen Trainingsauftakt absolviert, es waren fast alle da. Die Jungs machen einen sehr engagierten und motivierten Eindruck und ich hoffe natürlich, dass dies in den kommenden Wochen und Monaten auch so bleibt.
Dein Vorgänger Michael Hieber war bekannt als nahbarer Spielerfreund. Als welchen Trainertyp würdest du dich selbst beschreiben und wie werden die Spieler dich ansprechen?
Klaus: Ich habe allen das ´Du´angeboten. Wenn jemand Coach oder Trainer sagen will, darf er das natürlich auch, wobei mir Stefan lieber ist. Es muss eine gesunde Mischung aus normaler und natürlicher Autorität sein und braucht auch eine gewisse Hierarchie mit Grenzen zwischen Spielern und Trainern. Aber grundsätzlich bin ich auch jemand, der gerne mit den Spielern zusammensitzt, in der Kabine ein paar Minuten länger dableibt und für jeden ein offenes Ohr hat.
Noch verbleiben knapp drei Monate Vorbereitungszeit bis zum ersten Ligaspiel. Was steht auf dem Programm, was sind die Highlights?
Schamberger: Wir starten am 23.Juni für drei Tage ins erste Trainingslager, bei dem die Jungs noch nicht wissen, was sie genau erwarten wird. Es wird in erster Linie um das Thema Teamfindung gehen und wir werden einen gemütlichen Mannschaftsabend zum deutschen WM-Spiel verbringen. Im zweiten Trainingslager Ende August in Bartholomä wollen wir der Mannschaft den Feinschliff verpassen, hinzu kommt unsere Teilnahme am Sparkassen-Cup in Heiningen.
Klaus: Wir werden intensiv trainieren, es gibt aber auch eine zweiwöchige Sommerpause im August, in der sich die Spieler mental und mit einem individuellen Trainingsplan vorbereiten werden. Highlights sind natürlich die Trainingsspiele gegen zwei Würtembergligisten und auch einige höherklassige Gegner, darunter mit Balingen 2 sogar ein Drittligist.
Im Vergleich zu deinem Vorgänger hast du relativ viele Testspiele vereinbart. Warum?
Klaus: Es werden insgesamt vier oder fünf Spiele, also nicht zu viele und nicht zu wenige. Es braucht eben gewisse Wettkämpfe ich denke, dass wir eine gesunde Mischung gefunden haben.
Ein wichtiger Termin wird sicherlich auch das von Aaron Fröhlich geleitete Gmünder Handballcamp sein, bei dem du selbst auch als Trainer aktiv bist. Wie kam es dazu?
Klaus: Ich habe bereits in den vergangenen Jahren aktiv mitgewirkt. Es ist eine Riesensache, mit handballbegeisterten Kindern und Jugendlichen aus dem näheren Umkreis zu arbeiten. Es wird ziemlich viel auf die Beine gestellt und die ganze Mannschaft ist entsprechend involviert. Das macht den super Charakter dieses Camps aus. Ich habe in Lauterstein bereits selbst Camps organisiert und weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt. Deshalb helfe ich auch in Gmünd gerne mit.
Welche Rolle und speziell welche Aufgaben wird Patrick Schamberger als dein neuer Co-Trainer einnehmen?
Klaus: Unsere Aufgaben sind vielfältig, da tut jede Unterstützung gut. Patrick hat mir im Austausch mit Verein und Mannschaft bereits sehr viel geholfen. Es ist immer wichtig, jemanden zur Seite zu haben, der sich auskennt, die Spieler kennt und mich im Trainingsbetrieb unterstützt, falls ich beruflich einmal fehlen sollte. Auch in den Einheiten selbst wollen wir die Aufgaben vernünftig aufteilen und somit ein qualitativ hochwertiges Training anbieten.
Schamberger: Ich denke, dass ich die Jungs insbesondere im athletischen Bereich unterstützen werde und häufig auch für das Torhütertraining zuständig sein werde. Auf diesen beiden Punkten liegt mein Hauptaugenmerk. Zusätzlich werden wir künftig während den Spielen Statistik führen, nicht nur für die Trefferquote, sondern auch um zu lernen, welche Fehler wir abstellen müssen.
Zwei junge Neuzugänge sind bislang mit Doppelspielrecht zum Kader hinzugestoßen. Was kannst du zu Lukas Kauderer und Hendrik Prahst verraten?
Klaus: Beide bringen enormes Potenzial mit. Hendrik wird uns am Kreis sowie im Abwehrzentrum weiterbringen, Lukas Kauderer ist ein sehr spielfähiger Handballer mit großer Stärke im Eins gegen Eins. In enger Absprache mit Bartenbach werden sie so oft wie möglich da sein und wir werden sie im Trainingsbetrieb sehr genau unter die Lupe nehmen. Beide haben das Zeug dazu, eine ganz wichtige Rolle zu spielen und wir werden sie brauchen. Denn aktuell haben wir einen dünnen, aber qualitativ guten Kader, mit dem wir die erste Zeit überbrücken werden.
Werden aus deiner Sicht noch weitere Verstärkungen notwendig sein?
Klaus: Wir halten natürlich Ausschau, können aktuell aber nichts weiteres vermelden.Kein Verein schafft es, in den nächsten Wochen vier fertige Rückraumspieler zu präsentieren, auch wir nicht. Es gibt sicher viele unzufriedene Spieler bei anderen Vereinen, deshalb halten wir Augen und Ohren offen. Vorerst müssen wir auf diejenigen bauen, die uns zur Verfügung stehen wollen insbesondere die Doppelspielrechtler einbauen. Dazu gehört auch Yannik Leichs, der eine super Entwicklung nimmt.
Wie ist der Stand der Dinge bei den beiden Bosniern Anis Bojic und Belmin Nadarevic?
Klaus: Das sind die letzten Fragezeichen. Es gibt die Zusage, dass sie spätestens im Oktober zurück nach Gmünd kommen. Wann genau, das steht noch in den Sternen. Wir müssen abwarten, inwieweit die beiden uns zur Verfügung stehen werden, doch die Stadt und der Verein sind da sehr rührig. Wir hoffen natürlich alle, dass wir den beiden eine Perspektive und einen Arbeitsplatz bieten können. Noch gibt es aber keine Neuigkeiten, da wir auf verschiedene Gremien und Behörden angewiesen sind.
Für welche Art von Handball steht der Trainer Stefan Klaus? Was willst du im Spiel verändern?
Klaus: Wir werden den Fokus zunächst auf das Abwehrverhalten legen. Denn in dieser Mannschaft steckt das Potenzial, dass man im Verbund mit einem starken Torhüter eine vernünftige Defensive aufbauen kann. Ob wir weiterhin beim bisherigen System bleiben, müssen wir in der Vorbereitung abwarten. Es wird aber wohl darauf hinauslaufen, dass wir aufgrund unserer Körperkonstitution nicht bei der 6-0-Abwehr bleiben werden. Wir werden sicherlich offensivere Formationen mit weniger Wechseln einstudieren. Auch das Umschaltspiel, das bislang ein wenig in den Hintergrund geraten ist, wollen wir mehr forcieren und mehr einfache Tore durch Gegenstöße erzielen. Denn alles, was wir hinten verteidigen können, müssen wir uns vorne nicht umso härter erarbeiten. Dies war sicherlich ein Manko in der vergangenen Saison.
Du warst fünf Jahre lang bei der SG Lauterstein im Amt. Was spricht dafür, dass du dich auch in Gmünd wohlfühlen wirst?
Klaus: Die räumliche Nähe ist natürlich ein wichtiger Punkt. Ich bin hier nicht fremd und kenne die Gegebenheiten sehr gut. Auch hat mein Vater 30 Jahre lang in Waldstetten gearbeitet, weshalb natürlich die Verbundenheit da ist. Den TSB und seine Spieler kenne ich ebenfalls seit vielen Jahren, weshalb mir der Neueinstieg nicht allzu schwer fällt.
Als Absteiger wird dem TSB in den meisten Ligaspielen wohl die Favoritenrolle angedacht werden. Wie werdet ihr damit umgehen?
Klaus: Damit werden wir sicher konfrontiert werden. Man muss aber ganz klar sagen, dass die Liga mit drei Absteigern aus der BWOL nominell einen äußerst starken Eindruck hinterlässt. Wir wollen eine gute Runde spielen, doch das wird kein Selbstläufer. Als Favorit würde ich uns definitiv nicht bezeichnen. Wir haben eine Mannschaft, die sicherlich vorne mitspielen kann, der direkte Wiederaufstieg wird aber nicht unsere oberste Ambition werden. Wir denken perspektivisch und wollen jeden einzelnen Spieler weiterbringen.
Schamberger: Man muss auch die Gesamtkonstellation betrachten. Die zu Ende gegangene Ära Michael Hieber hat beim TSB wesentliche Abschnitte geprägt. Deshalb sollte man vom neuen Trainerteam nicht sofort den Aufstieg erwarten. Hinzu kommt, dass wir eben einen sehr dünnen Kader besitzen. Wenn man auf den Oberliga-Aufstieg vor vier Jahren zurückblickt, sieht man, dass wir damals auf jeder Position doppelt besetzt waren. Das lässt sich mit der aktuellen Konstellation nicht vergleichen. Wir haben Qualität, das ist keine Frage. Aber um aufzusteigen, braucht es immer ein wenig Glück, aber auch einen breiten Kader.
Was müsste passieren, damit du am Ende sagen kannst, dass es eine erfolgreiche Saison war?
Klaus: Wir haben eine sehr junge Mannschaft mit vielen Perspektivspielern. Ich denke, wenn wir uns spielerisch weiterentwickeln und als Team nach dem Abstieg neu zusammenfinden, so wäre es eine vernünftige Saison. Wir wollen begeisternde Spiele zeigen und die Zuschauer sollen dabei erkennen, dass die Mannschaft engagiert ist und kämpft. Das muss unser primäres Ziel sein, dann hätten wir vieles richtig gemacht.