Eine gefühlte Niederlage


Ein herber Dämpfer für das Hochgefühl beim TSB Gmünd: Das Team von Trainer Stefan Klaus leistete sich im Heimspiel gegen die SG Hegensberg-Liebersbronn den ersten Punktverlust in dieser noch jungen Saison. In der hektischen Schlussphase wurde ein Fünf Tore-Vorsprung eingebüßt, so dass sich das 35:35 (14:12) - Remis für die Gmünder wie eine Niederlage anfühlte.


"Gmünd ist für uns der Top-Meisterschaftskandidat, deshalb ist dieser Punktgewinn für uns besonders schön", resümierte SG-Spielertrainer Henning Richter nach Spielende. Sein Gegenüber Stefan Klaus war sichtlich bemüht, die Favoritenrolle wegzureden und befand, dass "wir uns in der Abwehr und in den letzten zehn Minuten sicherlich nicht wie ein Aufstiegsfavorit verhalten haben." Seine Mannen hatten zuvor auch einige Belege dafür geliefert, dass sie von der Spitze doch noch ein Stück weit entfernt sind.

Die Auftakterfolge gegen die beiden Aufsteiger aus Hohenems (33:20) und Ostfildern (25:20) hatten im Gmünder Lager die berechtigte Hoffnung geweckt, mit dem dritten Sieg in Folge einen vorläufigen Traumstart hinzulegen. Doch auch Hegensberg-Liebersbronn war nach dem 33:31-Überraschungssieg gegen den Vorjahresdritten Unterensingen mit viel Selbstbewusstsein, wenn auch kleineren Personalsorgen im Gepäck angereist. "Wir wolllten den Favoriten ärgern und das ist uns gut gelungen", befand Richter. Der TSB fand zwar schwer in die Partie hinein, agierte oft zu zögerlich und befand sich in der ersten Hälfte trotz holprigem Start scheinbar auf dem richtigen Weg. Den ersten Rückstand konnte die Klaus-Sieben umgehend egalisieren, beim 4:3 durch Felix Häfner war der Spielstand nach sechs Minuten umgedreht. Die erste Viertelstunde verlief ausgeglichen und stets nach dem gleichen Muster: Der TSB konnte stets mit einem Tor in Front gehen, die Gäste jedoch waren reaktionsschnell und konnten stets ausgleichen. Aaron Fröhlich verpasste es per Siebenmeterwurf zu erhöhen, im Gegenzug sorgte Matthias Bayer für den neuerlichen 9:9-Gleichstand (18.). Dass Klaus nun seine erste Auszeit nahm, zeigte offenbar Wirkung. Bis zur Pause steigerten sich die Gmünder in der Abwehr, profitierten dabei von mehreren Paraden ihres Schlussmannes Sebastian Fabian und ließen bis zur Halbzeit nur noch drei weitere Gegentreffer zu. Fröhlich sowie Dominik Sos sorgten mit ihrer Wurfgewalt aus dem Rückraum beim 13:10 (26.) für etwas Sicherheit. Der SG gelang ein schneller Doppelpack, ehe der treffsichere Wolfgang Bächle den leistungsgerechten 14:12-Pausenstand markierte.

Auch nach dem Seitenwechsel waren die Hausherren tonangebend, schafften es allerdings nicht, sich entscheidend abzusetzen. Fröhlich, Petersen und immer wieder zehnfache Torschütze Bächle sorgten immerhin dafür, dass der TSB seine Gäste auf Distanz halten konnten. Deren Angriffsreihe war mittlerweile ins Rollen gekommen, doch wie bereits in den vergangenen Wochen verhinderte Sebastian Fabian als unverzichtbarer Rückhalt Schlimmeres. Der Tormann sorgte dafür, dass der Drei Tore-Vorsprung Bestand hatte. Auf der Gegenseite sorgten Felix Häfner von Linksaußen sowie Hendrik Prahst vom Kreis mit dem 25:20 (42.) für den deutlichsten Zwischenstand. Da die Gmünder Abwehr gegen die SG-Aktivenposten Matthias Bayer (9 Tore) und Arne Helms (11/5) allerdings keine geeigneten Mittel fand, lag Hegensberg-Liebersbronn nur sieben Minuten später beim 28:27 wieder in Schlagdistanz. Auch eine Abwehrumstellung brachte nicht den gewünschten Erfolg. Die Defensive bot ein völliges Kontrastprogramm zu den bisherigen Ligaauftritten und war im zweiten Durchgang komplett neben der Spur. Die Gmünder hatten sogar noch Glück, dass ein Distanzwurf auf ihr zwischenzeitlich leeres Gehäuse (Fabian hatte während einer Unterzahlsituation dem siebten Feldspieler Platz gemacht) am Pfosten abprallte. Während sich der TSB abmühte, erwies sich die offensive Deckung der Gäste gegen Sos und Fröhlich als äußerst effektiv. Dem zuverlässigen Bächle sowie dem erfolgreichen Torwurf von Fabian hatte es die Klaus-Sieben zu verdanken, dass siebeneinhalb Minuten vor Spielende ein scheinbar beruhigender 32:28-Zwischenstand auf der Anzeigetafel stand. "Das muss doch jetzt reichen", so war der allgemeine Tenor auf der Tribüne – doch weit gefehlt.

Denn der TSB schaffte es weiterhin nicht, das Spiel in sichere Bahnen zu lenken und die Führung zu verwalten. Die SG witterte ihre Chance, der herausragende Matthias Bayer sorgte mit einem Dreierpack zum 32:31 für den neuerlichen Anschluss. Die letzten viereinhalb Minuten gerieten für die siegessicheren Gmünder zur Zitterpartie: Bächle und Jonas Waldenmaier erhöhten wieder auf zwei Tore, doch umgehend kassierte man die nächsten Gegentreffer. Zu mehreren technischen Fehlern der Gastgeber kam noch erschwerend eine unnötige Zeitstrafe gegen Aaron Fröhlich aufgrund von Reklamieren hinzu. Die Gäste nutzten dies, Arne Helms markierte beim 34:34 erstmals wieder den Ausgleich und auf der Uhr verblieben 47 Sekunden. Und es wurde noch hektischer: Hegensberg-Liebersbronn dezimierte sich durch zwei Zeitstrafen selbst, Sos verwandelte den Strafwurf zum vermeintlichen Gmünder Siegtreffer. Doch es verblieben immer noch 22 Sekunden. Die SG nahm die Auszeit, brachte einen zusätzlichen Feldspieler und war bei ihrem letzten Angriff dennoch mit einem Mann in Unterzahl. Ein Abspiel ging ins Seitenaus, doch die Unparteiischen unterbrachen die Partie und entschieden auf Freiwurf. Den geplanten Kempa-Trick konnte der aufmerksame Bächle mit seiner Rettungstat zwar verhindern, doch der Abpraller landete bei Christian Bayer, der aus spitzem Winkel zum 35:35 einnetzte. Zwar holte Fabian den Ball schnell aus dem Netz und Lukas Waldenmaier warf vom Mittelkreis aus ins leere Tor – es wäre das ganz späte "Happy End" einer dramatischen Partie gewesen, doch genau im Moment von Waldenmaiers Wurf war die Schlusssirene ertönt.

In der Entstehung war dieser Punktgewinn sicherlich glücklich für die Gäste, von der Einstellung hatten diese sich den Teilerfolg aber redlich verdient. "Wir haben die nötige Galligkeit gezeigt und haben bis zum Ende an unsere Chance geglaubt", befand Richter treffend. "Diesen Nackenschlag müssen wir erst einmal wegstecken. Wir sind in der Abwehr noch nicht so gefestigt, dass wir auch einmal zehn schlechte Minuten überstehen können", meinte ein enttäuschter Aaron Fröhlich. Der TSB-Spielmacher versprach aber zugleich, "dass wir uns diese Sicherheit und dieses Selbstbewusstsein als Mannschaft erarbeiten werden." Sein Trainer sprach von einem "Stimmungsdämpfer zum richtigen Zeitpunkt". Spätestens jetzt sollte klar sein, dass die Württembergliga für den Oberliga-Absteiger kein Selbstläufer sein wird. "Insgesamt ist der Start dennoch gelungen", so Klaus. Mit 5:1 Punkten auf dem Konto fährt der TSB am kommenden Samstag als Tabellenzweiter zum Spitzenspiel nach Heiningen. Beim aktuellen Spitzenreiter erwartet Klaus "einen ganz dicken Brocken." Auch Fröhlich kann nur bestätigen, dass nun ein weitaus größeres Kaliber auf die Gmünder zukommt: "Ich erwarte einen abgezockten und soliden Gegner, der ganz vorne mitspielen wird. Da braucht es von uns eine Top-Leistung, um zu punkten." Vor wird der TSB eines benötigen: Mehr Cleverness und eine verbesserte Abwehrleistung. "Denn mit 23 Gegentoren in der zweiten Hälfte können wir kein Spiel gewinnen", resümiert Stefan Klaus.

TSB: Sebastian Fabian (1), Giovanni Gentile – Wolfgang Bächle (10), Aaron Fröhlich (7), Dominik Sos (6/2), Felix Häfner (3), Jonas Waldenmaier (2), Sven Petersen (2), Yannik Leichs (1), Lukas Waldenmaier (1), Christian Waibel (1), Hendrik Prahst (1), Belmin Nadarevic, Anis Bojic

SG: Adrian Beurer, Tobias Funk – Arne Helms (11/5), Matthias Bayer (9), Dominic Fischer (5), Henning Richter (5), Christian Bayer (2), Fabian Sokele (2), Lucas Schieche (1), Marvin Schatz, Wolfgang Zeh, Moritz Hettich, Jan Heubach

Siebenmeter: TSB 3/2 – SG 5/5

Zeitstrafen: TSB 6 Minuten – SG 12 Minuten

Schiedsrichter: Andreas Pisch (HSG Schönbuch), Roland Ebner (HSG Böblingen/Sindelfingen)

Zuschauer: 500

 

"Und dann bekommen wir ein solches Duseltor..." - Stimmen zum Spiel

 

(sch) Am Ende einer dramatischen Partie lagen Freud und Leid ganz dicht beieinander. Die Gäste freuten sich über einen eher unerwarteten Punktgewinn, während der Favorit ein enttäuschendes Fazit ziehen musste.

 

Stefan Klaus (TSB-Cheftrainer): "Der eine Punkt ist für uns zu wenig, das muss man ganz ehrlich sagen. Das ist eine erste Enttäuschung für uns. Wir ärgern uns darüber, dass wir das Spiel nicht früher beruhigt und zu viele einfache Fehler gemacht haben. Die ein oder andere unglückliche Schiedsrichterentscheidung kam noch hinzu. Dabei haben wir das Spiel von Anfang an gestaltet und es knapp 50 Minuten lang insgesamt ganz vernünftig gemacht. Unsere eigene Trefferquote war in Ordnung, vor allem weil wir unsere Außenspieler immer wieder gut eingesetzt haben. Mit 35 Toren müssen wir das Spiel eigentlich gewinnen. Doch wir haben es weder mit der 6-0 noch mit der 3-2-1-Variante geschafft, unsere Abwehr zu stabilisieren. Unterm Strich muss man festhalten, dass wir zwar im Angriff einen Schritt nach vorne gemacht, aber defensiv zu viel zugelassen haben. Vielleicht war das der Dämpfer zum richtigen Zeitpunkt, damit jeder erkennt, dass es in dieser starken Liga nicht von alleine geht."

 

Henning Richter (Spielertrainer der SG He-Li): "Ich bin unglaublich stolz auf unsere Truppe, dass wir es geschafft haben, noch einmal zurückzukommen und uns einen Punkt zu erkämpfen. Gmünd ist für uns der Top-Meisterschaftskandidat und als sie uns Mitte der zweiten Hälfte mit Aaron Fröhlich und ihren beiden Außenspielern wirklich im Griff hatte, dachte ich, das wird nichts mehr. Doch wir waren da, als es darauf ankam und haben mit der offensiven Deckung gegen Fröhlich das passende Mittel gefunden. Individuell sind wir nicht so stark besetzt wie Gmünd, doch das haben wir über den Kampf und die taktische Disziplin kompensiert."

 

Felix Häfner (TSB-Linksaußen): "Das war ein verlorener Punkt. Wir haben zu leicht zu viele Gegentore zugelassen und so wurde das Spiel nochmals eng. Zumindest die knappe Führung nach dem Siebenmetertreffer von Dominik Sos in der Schlussminute hätten wir retten müssen. Aber dann bekommen wir ein solches Duseltor. Ich habe keine Ahnung, wie der Ball da noch hinkam. Wir hätten es gar nicht so weit kommen lassen dürfen und das Spiel schon viel früher entscheiden müssen. Dass wir in der Abwehr dermaßen den Faden verloren haben, darf uns nicht passieren. Diesen einen Punkt, den wir verloren habe, müssen wir nun auswärts wieder gutmachen – am besten in Heiningen."

 

Sven Petersen (Gmünder Rückraumspieler): "In der letzten Aktion ärgern wir uns natürlich über den Schiedsrichter, aber letztendlich war den Punktverlust durch zu viele technische Fehler und eigene Nachlässigkeiten selbst verschuldet. Wir hätten dieses Spiel niemals aus der Hand geben dürfen. Am Schluss hat uns einfach die Konsequenz gefehlt, den Vorsprung über die Zeit zu bringen. Wir müssen die Enttäuschung jetzt schnell abhaken und kritisch besprechen, was in der Abwehr schiefgelaufen ist. Dennoch wollen wir kommende Woche mit breiter Brust nach Heiningen fahren. Unser Saisonstart ist trotz dieses Dämpfers in Ordnung."

 

Aaron Fröhlich (TSB-Spielmacher): "Wenn man das ganze Spiel betrachtet, müssen wir feststellen, dass 23 Gegentore in der zweiten Hälfte ganz klar zu viel sind. Das ist eine Hausnummer, die wir uns vor allem zuhause nicht leisten dürfen. Selbstverständlich war auch im Angriff nicht alles toll und wir am Ende viele Bälle zu einfach weggeworfen. Das Hauptproblem war, dass wir es nie geschafft haben, uns vorentscheidend abzusetzen. Damit haben wir die Möglichkeit dafür geboten, dass es sich in den hektischen Schlussminuten noch einmal zugespitzt hat.