Das Auf und Ab beim TSB Gmünd hat sich am Sonntagabend unvermittelt fortgesetzt. Nach dem zweiten Heimspiel muss der Aufsteiger weiterhin noch auf seinen ersten Saisonsieg in eigener Halle warten. Da beide Abwehrreihen im Kollektiv versagten, erlebten die knapp 500 Zuschauer beim 32:37 (14:18) gegen den TV Weilstetten ein wahres Schützenfest, dass die große Schwachstelle des TSB aber gnadenlos offenlegte.
Während aus der Gästekabine noch weit über eine Stunde nach dem Abpfiff Party-Musik durch die Halle dröhnte, herrschte im Gmünder Lager viel Ratlosigkeit über den erneuten Rückschritt. Nur acht Tage nach dem überraschend deutlichen 29:21-Auswärtserfolg in Herrenberg zeigte der TSB sein vollkommen anderes Gesicht. "Alles, was wir vergangene Woche richtig gut gemacht haben, haben wir heute schlecht gemacht", so fand Abwehrchef Christian Waibel deutliche Worte für eine desaströse Vorstellung. Denn der Hauptkritikgrund für die erneute Heimschlappe ist angesichts von 38 Gegentreffern schnell ausgemacht. "Damit gewinnst du nicht einmal in der Bezirksliga", war auch Aleksa Djokic entsprechend angefressen. Dabei zählte der Linksaußen mit seinen sieben Treffern noch zu den Lichtblicken in einem über weite Strecken enttäuschendem Kollektiv, dass von Beginn an krasse Lücken in der Defensive aufwies.
In einer völlig verkehrten Welt fanden sich jene Fans wieder, welche die in Herrenberg wie entfesselt und hochkonzentriert aufgetretenden Gmünder erlebt hatten. Bereits nach neun Minuten stand ein 7:9 aus Sicht der Hausherren auf der Anzeigetafel und Kapitän Sebastian Fabian, der zunächst den Vorzug vor Daniel Mühleisen erhalten hatte, ließ sich entnervt auswechseln. Beide Torhüter hatten jedoch einen undankbaren Job zu erledigen, so stark wie der Abwehrblock immer wieder bröckelte. Lange Zeit gelang es den TSBlern diese Schwäche einigermaßen zu kaschieren, da auf Gegenseite allen voran Aaron Fröhlich und Yannik Leichs sich immer entschlossen durchsetzten. Über 9:11 (15.), 12:14 (20.) und 14:16 (24.) hatten die Gäste zwar weiterhin die Nase vorne, doch die Gmünder blieben zumindest in Schlagdistanz. In den letzten sechs Minuten vor der Pause allerdings blieben die Blau-Gelben mangels Abschlussglück ohne eigenen Treffer. Zu allem Überfluss scheiterten sowohl Fröhlich als auch Wolfgang Bächle von der Siebenmeterlinie. Der TVW hingegen erspielte sich mit dem 14:18 erstmals ein kleines Polster, eine der wenigen Paraden von Mühleisen und der Querbalken standen Treffer Nummer 19 im Wege. Zum Vergleich: Damit hatte der TSB bereits im ersten Durchgang annähernd so viele Gegentreffer hinnehmen müssen wie in der Vorwoche insgesamt.
Ebenso vogelwild ging es auch nach dem Seitenwechsel weiter. Die Zuschauer kamen beim Torefestival in der Großen Sporthalle vollständig auf ihre Kosten, die Trainer hingegen rauften sich aufgrund der eklatanten Abwehrschwäche beider Teams ebenso die Haare wie ihre Keeper. Beim TSB setzten nun insbesondere Thomas Grau sowie die beiden Außenspieler Djokic und Bächle die Akzente. Letzterer sorgte mit seinem Treffer zum 21:23 (37.) kurzzeitig für neue Hoffnung. Diese allerdings wussten die Gäste sofort im Keim zu ersticken. Die vom zehnfachen Torschützen Jonas Lösch angeführte TVW ließ zu keiner Zeit das Gefühl einkommen, sie würden noch einen Einbruch erleben. Stattdessen waren die "Lochenfüchse" auch im zweiten Durchgang stets einen Tick voraus, erzielten einfache Gegenstoßtore und bauten ihren Vorsprung schnell wieder auf 22:27 (42.) aus. Die Gmünder blieben zwar bemüht, doch die nötige Leidenschaft und Entschlossenheit fehlten, um Weilstetten ernsthaft in Bedrängnis blieben. In der Schlussphase bekamen die Zuschauer noch zwei Kunststücke zu sehen: Djokic verwertete einen weiten Pass von Fabian ebenso in Kempa-Manier wie wenig später Gästeakteur Tim Singer den Distanzwurf seines Tormanns. Mit dem 28:35 (55.) war die Entscheidung gefallen. Gleichzeitig wurde es noch einmal hektisch, als Lösch mit dickem Knöchel vom Feld getragen werden musste und Tim Albrecht für das vorangegangene Foul mit Rot vom Platz gestellt. "Ich war zu spät dran, wollte ihn aber nicht absichtlich verletzen und denke deshalb nicht, dass das eine Rote Karte rechtfertigt", so bewertete der TSB-Neuzugang diese unglückliche Szene. Das Aufwachen des TSB mit offensiver Abwehrformation und vier Toren in Folge kamen zu spät, um das Unmögliche möglich zu machen. Stattdessen bejubelten die weit gereisten Weilstetter einen auch in dieser Höhe verdienten 37:32-Auswärtserfolg, ihren zweiten Sieg nacheinander.
Die Gmünder hingegen suchen nach ihrer Oberliga-Rückkehr weiterhin nach ihrer einst so gefürchteten Heimstärke und stehen vor dem bevorstehenden Gastspiel beim TV Bittenfeld II am kommenden Samstagabend in der Bringschuld. Der Druck liegt bei dieser Partie eindeutig auf Seiten der noch punktlosen Gastgeber. "In Bittenfeld müssen wir jetzt vielleicht wieder zwei Punkte holen, die wir auch in Herrenberg nicht unbedingt erwartet hätten", meinte TSB-Trainer Stefan Klaus, schob aber direkt hinterher: "Die Aufgaben werden für uns nicht einfacher. Wir spielen in einer sehr interessanten und ausgeglichenen Oberliga, in der es für uns kein einfaches Spiel mehr gibt." Eine Leistungssteigerung in fremder Halle würde aber zumindest dafür sorgen, dass die derzeitige Achterbahnfahrt des TSB umgehend wieder nach oben führen würde.
TSB: Daniel Mühleisen, Sebastian Fabian – Aaron Fröhlich (9/2), Aleksa Djokic (7/1), Wolfgang Bächle (5), Yannik Leichs (5), Thomas Grau (4), Stephan Mühleisen (2), Christian Waibel, Dominik Sos, Jonas Waldenmaier, Tim Albrecht
TVW: Marco Makowski, Erik Seeger – Jonas Lösch (10), Micha Kübler (7/2), Nick Single (6), Fabian Mayer (5), Tim Singer (3), Daniel Weckenmann (3), Silas Wagner (2), Felix Narr (1), Zappa Single, Nick Bischoff, Philipp Kaunz
Siebenmeter: TSB 5/3 – TVW 3/2
Zeitstrafen: TSB 10 Minuten – TVW 10 Minuten
Rote Karte: Tim Albrecht (TSB/55./Grobes Foulspiel)
Schiedsrichter: Arno Kolbach, Sascha Oestringer (HSG St.Leon/Reilingen)
Zuschauer: 500
"Eine aggressivere Grundstimmung entwickeln" – Stimmen zum Spiel
Auch nach dem dritten Spiel in der Oberliga sucht der TSB Gmünd verzweifelt nach der Konstanz in seinen Leistungen. Besonders bitter ist diese Tatsache für zwei Neuzugänge, die weiterhin auf ihren ersten Heimerfolg im TSB-Dress warten müssen.
Stefan Klaus, TSB-Trainer: "Wir müssen den Fokus in der neuen Trainingswoche wieder ganz stark auf die Abwehr legen und uns Sicherheit holen. Dennoch dürfen wir nicht zu frustiert sein oder den Kopf in den Sand stecken. Es darf jeder enttäuscht sein, es muss jeder enttäuscht sein. Viel wichtiger ist aber, dass jeder Einzelne jetzt eine Reaktion zeigt. Wir haben Potenzial in der Mannschaft, das wissen wir alle. Aber wir haben ganz klar gesehen, wo wir jetzt den Hebel ansetzen müssen. Wir müssen aus der Mannschaft heraus eine aggressivere Grundstimmung entwickeln. Da muss jeder zehn Prozent mehr geben. Kampf und Leidenschaft einzubringen, das sind diese Charaktereigenschaften, die vor 30 Jahren wichtig waren und es auch in 50 Jahren noch sein werden. Genau das fehlt mir derzeit ein wenig."
Sascha Ilitsch, TVW-Trainer: "Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden. Die Problematik ist aber immer noch, dass wir zu viele Gegentore kassieren. Wir sind immer noch auf der Suche danach, wie wir unsere Abwehr stabilisieren können. Das ist uns besser gelungen als zuletzt, wir müssen aber immer noch eine Schippe drauf legen. In diesem Spiel konnten wir diese Schwäche durch viele gelungene Abläufe im Angriff kaschieren, auch wenn uns für meinen Geschmack immer noch zu viele technische Fehler passieren."
Tim Albrecht, TSB-Rückraumspieler: "Ich kann mir selbst nicht erklären, warum es uns nicht gelungen ist an die in Herrenberg gezeigte Leistung anzuknüpfen. Der Begriff Inkonsequenz beschreibt unser Problem derzeit wohl am treffendsten. Die mangelnde Bereitschaft in der Abwehr ist der Hauptgrund für unsere Schwäche. Ich habe immer das Gefühl, dass wir am Anfang nicht richtig wach sind. Das zieht sich dann so durch das Spiel durch. Vielleicht sollte jeder einmal seine Rituale vor dem Anpiff ändern."
Stephan Mühleisen, TSB-Kreisläufer: "Diese Niederlage ist sehr schmerzhaft, vor allem weil wir vergangene Woche gesehen haben, was wir eigentlich können. Warum es uns nicht gelingt, auch in den Heimspielen auf den Punkt unsere Leistung zu bringen, kann ich ehrlich nicht sagen. Wir sind in der Abwehr überhaupt nicht gut gestanden und haben gefühlt jedes Eins-Gegen-Eins Duell verloren. Die Ausstrahlung hat uns gefehlt. Wir waren nicht so präsent, wie wir es eigentlich sein sollten."
Christian Waibel, TSB-Abwehrchef: "Von der ersten bis zur letzten Minute war es eine schlechte Abwehrleistung. Wir haben die Räume nicht richtig verdichtet und sind auch die nötigen Meter nicht gelaufen. Es hat einfach nur lethargisch gewirkt. Das stimmt uns natürlich nachdenklich."
(Text: Nico Schoch / Bilder: Jan-Philipp Strobel)
(Text: Nico Schoch / Bilder: Jan-Philipp Strobel)