Hoffnung auf die Wende: Der TSB sucht den Reset-Knopf

Es war nicht alles schlecht, doch das Nervenkostüm ist arg strapaziert: Nach der Heimniederlage gegen die SG Herrenberg stehen die Gmünder gewaltig unter Druck und können sich beim TV Weilstetten eigentlich keine Niederlage erlauben - egal, wer beim Gegner aufläuft.


Sechs Punkte aus den ersten vier Spielen des Jahres 2020 hatten sich die Handballer des TSB Gmünd zum Ziel gesetzt, um im Kampf gegen den Abstieg aus der Oberliga Baden-Württemberg noch eine Chance zu haben. Weil gleich die erste Partie am vergangenen Sonntag zu Hause gegen die SG Herrenberg mit 22:30 total in die Hosen ging, erhöht sich der Druck auf die Schützlinge von Michael Hieber gewaltig. „Wir müssen jetzt was reißen“, sagt deshalb der Gmünder Cheftrainer vor dem Auswärtsspiel am Samstag um 20 Uhr in der Längenfeldhalle in Balingen im Zollernalbkreis beim TV Weilstetten kämpferisch.

Dazu bedarf es aber einer gewaltigen Leistungssteigerung. Denn was die Gmünder gegen die SG Herrenberg an freien Torwürfen versiebten war unfassbar – und nicht oberligareif. Andererseits zieht Hieber daraus den Strohhalm Hoffnung auf eine Wende: „Wir haben ja die Chancen herausgespielt, also war nicht alles schlecht.“

Im Training in dieser Woche, bei dem alle Spieler des Kaders mit Ausnahme von Thomas Grau ruhig und konzentriert bei der Sache waren, mussten Hieber mit seinen Assistenten Andreas Rascher und Christof Elser vor allem psychologische Aufbauarbeit leisten, denn das Nervenkostüm der Gmünder ist arg zerfetzt – das Spiel beim TV Weilstetten wird zur Kopfsache. „Wir müssen alle, und damit meine ich auch mich als Trainer, zu mehr mentaler Stabilität finden“, fordert Hieber ein.

Wenig hilfreich ist bei der „seelischen Aufarbeitung“ sicher die Erinnerung an das Hinspiel. Das verlor der TSB mit 32:37, die Abwehr war damals löchrig wie ein Schweizer Käse. Der TV Weilstetten konnte aber seinen passablen Saisonstart mit 9:5 Punkten nicht fortsetzen. Vor dem Jahreswechsel setzte es sechs Niederlagen in Folge, die „Lochenfüchse“ rutschten in die Abstiegszone ab.

In der Winterpause tankten die Weilstetter neue Kräfte – und prompt gab es am vergangenen Sonntag einen 28:25-Erfolg bei der Neckarsulmer Sportunion. Mit 13:21 Punkten setzte sich der TV dadurch um fünf Zähler zum TSB (8:26) ab. Nick Single, Nick Bischoff und Jonas Lösch, im Vorspiel zehnfacher Torschütze, erzielten in Neckarsulm zusammen 20 der 28 TV-Treffer. Klar ist, dass das TV-Trainergespann Sascha Ilitsch und René Wismar den doppelten Punktgewinn von Neckarsulm gegen den TSB „vergolden“ will – mit einem Heimsieg. Wahrscheinlich können die Lochenfüchse sogar wieder auf Routinier Eric Single bauen.

„Egal, wer beim TSV aufläuft, wir müssen selbst den Resetknopf finden und drücken“, stellt dagegen Michael Hieber heraus, „es kommt allein auf uns an, was in Weilstetten passiert.“ Es ist im Übrigen erst das vierte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften (eines gewann der TSB), weil der TV meist höherklassig spielte.

Überhaupt ist Weilstetten „Handball-Kompetenz pur“. In seiner über 100-jährigen Vereinsgeschichte hat sich der TV aus dem drittgrößten Stadtteil Balingens (35 500 Einwohner) einen guten Ruf weit über Baden-Württemberg hinaus erworben. Die Handballmannschaft des TV Weilstetten fusionierte 2002 mit der TSG Balingen zur HBW Balingen-Weilstetten. Seit 2007 gehört diese Spielgemeinschaft, mit einjähriger Unterbrechung, der 1. Bundesliga an.

Vor einigen Jahren hat der TV Weilstetten wieder eine eigene „Amateurmannschaft“ ausgegliedert, die inzwischen in der Oberliga Baden-Württemberg eine feste Größe ist.

Der TSB-Kader: Sebastian Fabian, Daniel Mühleisen; Giovanni Gentile; Stephan Mühleisen Wolfgang Bächle, Aleksa Djokic, Yannik Leichs, Christian Waibel, Aaron Fröhlich, Dominik Sos, Jonas Waldenmaier, Tom Abt, Max Dangelmaier, Tim Albrecht.

© Gmünder Tagespost 23.01.2020 16:44 / Winfried Hofele


Blick auf den Gegner: Das ist der TV Weilstetten

Hintere Reihe von links: Eric Single, Daniel Weckenmann, Tim Singer, Nick Bischoff, Benjamin Kipp, Silas Wagner, Felix Narr, Jonas Lösch

Mittlere Reihe von links: Abteilungsleiter Dietmar Kipp, Physiotherapeut Jochen Sauter, Trainer Sascha Ilitsch, Trainer René Wismar, Betreuer Michael Fischer

Vordere Reihe von links: Felix Saueressig, Zappa Single, Micha Kübler, Erik Seeger, Marco Makowski, Phillip Kaunz, Nick Single, Fabian Mayer

Es fehlt: Torwarttrainer Mark Jenter


Vereinsfarben: Blau-Weiß

Spitzname: „Lochenfüchse“, in Anlehnung an den Balinger Hausberg Lochen (962 m)

Ortskunde: Die 3695-Einwohner-Gemeinde ist der drittgrößte Stadtteil von Balingen auf der Schwäbischen Alb und wurde 1936 aus den selbstständigen Orten Weilheim und Waldstetten gebildet. Eingebettet in die Zollernalb am Fuß des Lochenpasses und am Austritt der Eyach hat sich Weilstetten zu einer wahren Handball-Hochburg entwickelt.

Heimspielstätte: Längenfeldhalle, Gymnasiumstraße 32, 72336 Balingen

Anfahrt: 128 Kilometer (92 Minuten) über B29 und B27 via Stuttgart und Tübingen

Vereinshistorie: Von den 1950er-Jahren an war der TVW Stammgast in der Oberliga Württemberg und von 1990 an sogar ohne Unterbrechung in der Regionalliga Süd vertreten, ehe man 2002 mit der TSG Balingen zum jetzigen Erstligisten HBW Balingen-Weilstetten fusionierte. Unabhängig vom namhafteren HBW führten die "Füchse" ihre eigene Männermannschaft weiter – und das mit einem klar erkennbaren Trend nach oben. 2008 gelang der Wiederaufstieg in die Landesliga und ab 2011 trat der TVW in der Württembergliga Süd an, gekrönt von der souveränen Meisterschaft und dem BWOL-Aufstieg 2017.

Größter sportlicher Erfolg: Deutsche Meisterschaft der A-Junioren 1983, Württembergischer Meister der Herren 2017

Bekannte Ex-Spieler: In Weilstetten wurden die Grundlagen für die späteren Erfolge der "Gallier von der Alb" geschaffen. Die HBW-Legenden Frank Ettwein und Sascha Ilitsch waren bis 2002 für den TVW am Ball. Ex-Nationalspieler Christoph Theuerkauf lief nach Vertragsende beim HBW im Sommer 2016 kurzzeitig für die Lochenfüchse auf, ehe es ihn nach zwei Spielen und drei Toren zum TBV Lemgo weiterzog.

BWOL-Erfahrung: In den vergangenen beiden Spielzeiten sicherte sich der TVW mit den Plätzen 7 und 12 jeweils den Klassenerhalt.

Saison 2018/19: Mit nur 22:34 Punkten mussten man auf der Zollernalb kräftig zittern. Zunächst genügte der um ein Tor gewonnene direkte Vergleich, um sich in der Endtabelle vor den punktgleichen TuS Steißlingen zu schieben. Letztlich blieb dem TVW der Abstieg nur deshalb erspart, weil sich mit Plochingen und Blaustein beide BWOL-Vertreter in der Aufstiegsrunde zur 3.Liga durchsetzten.

Beste Torschützen 2018/19: Nick Single 164/23 Tore, Micha Kübler 131/62 Tore, Fabian Mayer 78 Tore

Bisherige Duelle mit dem TSB: In den Jahren 1982 bis 1990 standen sich Gmünd und Weilstetten insgesamt 14-mal in der damaligen Oberliga-Württemberg gegenüber – meist mit dem besseren Ende für die Lochenfüchse. In seiner BWOL-Abstiegssaison 2017/18 unterlag der TSB auswärts deutlich mit 24:31, revanchierte sich aber mit einem 33:27-Heimerfolg. Das Hinspiel in dieser Runde ging mit 37:32 nach einem wahren Schützenfest an den TVW.

Trainerduo: Sascha Ilitsch (1.Jahr, zuvor Co-Trainer beim HBW), René Wismar (seit 2016)

Saisonziel: Frühstmöglicher Klassenerhalt

Neuzugänge: Tim Singer (HSG Rottweil), Phillip Kaunz (zurück nach Pause), Zappa Single (2.Mannschaft), Nick Bischoff, Silas Wagner (beide eigene Jugend)

Abgänge: Frank Raible (HSG Albstadt), Fabian Pick, Felix Euchner, Moritz König, Mario Bischoff, Lukas Slongo (alle Karriereende)

Aktueller Tabellenplatz: 11.Platz, 13:21 Punkte, 512:532 Tore

Bisherige Bilanz: 6 Siege - 1 Unentschieden - 10 Niederlagen

Beste Torschützen: Nick Single 95/20 Tore, Micha Kübler 94/46 Tore, Jonas Lösch 55 Tore

Top-Spieler: Aus dem TVW-Kollektiv ragt mit Micha Kübler einer der besten Linksaußen der ganzen Liga heraus. In den vergangenen beiden Spielzeiten war der 23-Jährige zweitbester Torschütze Weilstettens.

Besonderes: Im Nachwuchsbereich arbeitet der TVW weiterhin intensiv mit dem „großen Bruder“ aus der Bundesliga zusammen. Fast alle Akteure im Weilstetter-Kader sind in der JSG Balingen-Weilstetten groß geworden, mit der sich auch der TSB-Nachwuchs schon die eine oder andere heiße Partie lieferte.

Internet: www.tv-weilstetten.de/abteilungen/handball

(Nico Schoch)