Die nächste bittere Schlussminute: Trotz großartigem Kampf wieder keine Punkte

Das zweite Heimspiel in Folge mit 32:33 verloren und das erneut durch einen Gegentreffer in letzter Sekunde: Der TSB Gmünd hat auf seiner nunmehr zehn Spiele andauernden Durststrecke den nächsten niederschmetternden Moment durchlebt. Ein von der Taktik der Hausherren verblüffter Tabellenführer SG Pforzheim/Eutingen entführte letztlich überaus glücklich beide Punkte aus der Großen Sporthalle.

Michael Hieber musste nach Abpfiff erst einmal seinem Ärger freien Lauf lassen. "Heute sind wir ganz klar beschissen worden", fluchte der Gmünder Coach und meinte damit die beiden Schiedsrichter, die aus seiner Sicht mit fragwürdigen Entscheidungen in der Schlussviertelstunde den greifbaren Überraschungscoup verhindert hatten. Hiebers Gegenüber, Alexander Lipps, sprach treffend von einem "dreckigen Auswärtssieg", der seine SG einen Schritt näher an die Meisterschaft bringt und tapfer kämpfende Gmünder einmal mehr tief ins Tal der Tränen stürzte. "Wenn du ganz oben stehst, gewinnst du eine solche Zitterpartie eben auch", erklärte Lipps ganz lapidar.
 
Die TSBler hatten zwar gezeigt, wozu sie imstande sind und dass sie sich im Abstiegskampf trotz sechs Punkten Rückstand zum rettenden Ufer noch längst nicht bereit sind, die Flinte ins Korn zu werfen. Wie bereits drei Wochen zuvor gegen Weinsberg wäre mindestens ein Punkt, wenn nicht sogar ein Sieg verdient gewesen – so aber zieht sich die Schlinge für den Tabellenvorletzten bedrohlich zu.
 
Das Gmünder Trainerteam hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen, um den Tabellenführer zu knacken. Knapp über die Hälfte der Spielzeit hinweg blieb das eigene Tor unbehütet – weil Hieber und sein Co-Trainer Andreas Rascher im Angriff konsequent auf einen zusätzlichen siebten Feldspieler setzte. "Wir wollten sehen, wie Pforzheim reagiert", so Hieber. Das Experiment glückte und wurde lediglich in der Anfangsphase mit zwei schnellen Gegentoren bestraft, weil der TSB diszipliniert auftrat und die Fehlerquote gering hielt. Die Gäste setzten sich mit vier Toren in Folge zwar kurzzeitig auf 3:7 (10.) ab, doch mit einer Kraftanstrengung kämpften sich die Gmünder in die Parte zurück und erzielten beim 9:9 (16.) durch Wolfgang Bächle schnell wieder zum Ausgleich. Fortan bot der TSB dem Favoriten einen Schlagabtausch auf Augenhöhe, wobei die 450 Zuschauer voll auf ihre Kosten kamen. Mit zwei Kreisläufern wurde die stärkste Abwehr der Liga pausenlos beschäftigt und zugleich verstanden es die Hausherren, durch flexibles Umschaltspiel endlich einmal ihr gewohntes Geschwindigkeitsdefizit zu beheben. In der Torflut überragten zwei Akteure: Tormann Sebastian Fabian hielt seine Mannen mit sieben Paraden allein in der ersten Hälfte im Rennen, während auf der Gegenseite Ex-Profi Bastian Rutschmann seinen Vorderleuten nur wenig Rückhalt geben konnte. Mit einem Doppelschlag ebnete wiederum der agile Linksaußen Aleksa Djokic den Weg zur 15:13-Führung (25.).
Nicht nur taktisch, sondern auch spielerisch setzte der TSB Glanzpunkte: Direkt vor und direkt nach der Halbzeitpause verwandelte Yannik Leichs zwei von Aaron Fröhlich sowie Tom Abt eingeleitete Kempa-Tricks zum 18:16 (33.). Anders als noch bei der deutlichen Schlappe in Konstanz zwei Wochen zuvor brachen die Gmünder nicht ein, sondern blieben am Drücker. Das große Manko allerdings: In der Deckung fehlten die Lösungen, um die vielen verdeckten Schlagwürfe aus dem Pforzheimer Rückraum zu unterbinden. So war der Klassenprimus zwar sichtbar beeindruckt, blieb aber stets gefährlich. Über 24:22 (42.) und 24:25 (45.) wechselte das Spielglück in diesem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen nur kurzzeitig. Vor allem die beiden Spielmacher Fröhlich sowie Manuel Mönch drückten der Partie maßgeblich ihren Stempel auf.
 
Die großen Diskussionen auf dem Feld begannen in der 48.Minute. Beim Hechten nach dem verloren gegangenen Ball kollidierte Sven Petersen mit seinem Gegenspieler – und das direkt vor der Pforzheimer Bank, wo sofort alle Ersatzspieler erregt aufsprangen. Nach längere Beratung zeigte das Schiedsrichter glatt Rot. "Ich wollte nur den Ball auf unsere Seite wegschlagen, es war ein ganz normaler Zweikampf", zeigte sich Petersen über die erste Disqualifikation seiner Laufbahn. Die Gäste nutzten ihre Überzahl, um den Spielstand auf 27:28 (50.) zu drehen, doch der TSB antwortete in Form seiner treffsicheren Flügelzange Bächle/Djokic. Leichs hatte die Blau-Gelben erneut mit 30:29 (55.) in Front geworfen, da folgte prompt der nächste Nackenschlag: Für Abwehrstratege Christian Waibel war die Partie aufgrund der dritten Zeitstrafe ebenfalls vorzeitig beendet. Durch Thomas Grau, der sein Comeback nach über drei Monaten Verletzungspause feierte, sowie Fröhlich kamen die Gmünder in einer hektischen Schlussphase und trotz einem aberkannten Treffer zweimal zum Ausgleich. Die letzten 18 Sekunden allerdings gehörten der SG und abermals standen die Referees im Mittelpunkt: Als sich Mönch durchtankte, protestierte der TSB vergeblich auf Stürmerfoul. Die Pfeife blieb stumm, während sich Mönch schwingt mit seinem elften Trefer zum 32:33 und das fast punktgenau mit der Schlusssirene endgültig zum Matchwinner aufschwang.
 
Mit einem gellenden Pfeifkonzert seitens des Gmünder Publikums wurden Schiedsrichter und Gäste in die Kabine begleitet, während die TSBler Applaus für ihren aufopferungsvollen Kampf ernteten – der abermals ohne Lohn geblieben ist. Rückkehrer Grau brachte die Gefühlslage beim Tabellenvorletzten auf den Punkt: "Wir halten mit, doch es fehlen die Punkte. Wir arbeiten mühselig, um dann doch wieder mit leeren Händen dazustehen. Jetzt braucht es endlich wieder ein Erfolgserlebnis, um Licht am Ende des Tunnels zu sehen." Um den letzten Funken Hoffnung auf den Klassenverbleib am Leben zu erhalten, braucht es am kommenden Sonntag unbedingt einen Sieg im Kellerduell beim TSV Zizishausen, Grau´s Ex-Verein.
 
TSB: Sebastian Fabian, Daniel Mühleisen – Aaron Fröhlich (9/2), Aleksa Djokic (6), Yannik Leichs (6), Wolfgang Bächle (5), Jonas Waldenmaier (2), Christian Waibel (1), Thomas Grau (1), Sven Petersen (1), Tom Abt (1), Patrick Watzl, Tim Albrecht
SG: Bastian Rutschmann, Mile Matejevic – Manuel Mönch (11), Jan Wörner (6), Tim Kusch (4), Michael Hohnerlein (4), Max Lupus (3/3), Julian Broschwitz (2), Jonathan Buck (2), Tom Schlögl (1), Dominik Grosshans, Ingo Catak, Leon Gerstner, Paul Lupus
Siebenmeter: TSB 2/2 – SG 3/3
Zeitstrafen: TSB 14 Minuten – SG 6 Minuten
Rote Karten: Sven Petersen (TSB/48./Foulspiel), Christian Waibel (TSB/55./Dritte Zeitstrafe)
Schiedsrichter: Carsten Müller, Philipp Schmidt (SV Leonberg/Eltingen)
Zuschauer: 450
 
"Wir hätten es verdient, endlich belohnt zu werden" – Stimmen zum Spiel
Die TSB-Handballer müssen im Abstiegskampf derzeit einen Nackenschlag nach dem anderen wegstecken. Umso beeindruckender erscheint es, dass sich die Gmünder auch nach ihren starken und eben doch wieder unbelohnten Auftritt gegen Titelfavorit Pforzheim/Eutingen weiterhin kämpferisch geben.
 
Michael Hieber, TSB-Trainer: "Es ist schwierig nachzuvollziehen, dass wir in der Rückrunde so couragiert auftreten und dennoch erst ein Pluspunkt auf dem Papier steht. Eine Punkteteilung wäre gerecht gewesen. Denn wir haben Pforzheims kleine Schwäche gefunden und sie in den stehenden Angriff gezwungen. Dass wir dieses Mal kaum Kontertore zugelassen haben und trotzdem 33 Gegentore kassieren, zeigt aber auch, dass wir den richtigen Zugriff in der Abwehr nicht gefunden haben. Meine Mannschaft hat alles hereingeworfen und hätte es verdient gehabt, endlich einmal belohnt zu werden. Alle haben ihr Herz gezeigt und wenn sie so fighten, wird das auch von unseren Zuschauern honoriert. Ich schaue nicht mehr auf die Tabelle, aber mit einer solch starken Leistung können wir es schaffen, dieses zarte Pflänzchen weiter aufzubauen."
 
Alexander Lipps, SG-Trainer: "Ich habe tatsächlich erwartet, dass es ein solch enges Ding wird. Dass wir am Ende mit zwei Punkten herausgehen, ist eine glückliche Fügung. Uns war bewusst, dass Gmünd mit dem Rücken zur Wand steht und alles daran setzen will, im Abstiegskampf nochmal einen Fuß in die Türe zu bekommen. Dass die Gmünder dann zum ersten Mal in dieser Saison mit sieben gegen sechs in den Angriff gegangen sind, war eine echt überraschende Situation für uns. Egal wie wir auch verteidigt haben, bekamen wir keinen Zugriff in der Deckung und meine beiden Keeper ebenso nicht. Mit diesem dreckigen Auswärtssieg haben meine Jungs die Belohnung für zwei starke Trainingswochen eingefahren."
 
Yannik Leichs, TSB-Spielgestalter: "Mit Kopf in den Sand stecken kommen wir nicht weiter. Die guten Dinge, die jeder in der Halle gesehen hat, müssen wir nun weiterentwickeln. Dass wir selbst gegen den Tabellenführer mithalten können und immer wieder eine Antwort parat hatten, ist eine enorm positive Erkenntnis. Genau das muss in unseren Köpfen bleiben und nicht die Tatsache, dass wir wieder einmal extrem bitter verloren haben."
 
Sven Petersen, TSB-Rückraumspieler: "Wir hatten schon so viel Pech in dieser Saison, doch es kommt immer wieder etwas Neues hinzu. Wir hätten ein echtes Ausrufezeichen setzen können, denn es war ein überragender Auftritt von uns – wenn nur nicht unsere Pechsträhne wäre..."
 
Thomas Grau, TSB-Akteur: "Wie bereit im Hinspiel hat Manuel Mönch mit seinem Tempo und seinen Unterarmwürfen den Unterschied für Pforzheim ausgemacht. Ihn haben wir nicht so in den Griff bekommen, wie wir es uns vorgenommen haben. Es ist aktuell wirklich zäh für uns. "
 
Christian Waibel, TSB-Kreisläufer: "Wir hätten in der Abwehr konsequenter spielen müssen, denn wir haben zu viele Lücken gelassen. Ansonsten haben wir über 60 Minuten hervorragenden Einsatz gezeigt und unverdient verloren. Wenn die Schiedsrichter konsequent bei ihrer Linie bleiben, müssen sie das letzte Tor wegen Stürmerfoul aberkennen."
 
Aleksa Djokic, TSB-Linksaußen: "Insgesamt war unsere Leistung überragend, aber leider hatten wir das nötige Glück nicht auf unserer Seite. Ich möchte meiner Mannschaft zu diesem guten Spiel gratulieren, aber dass es wieder nicht gereicht hat, ist sehr enttäuschend für uns alle. Gerade in dieser Phase, in der wir jeden Punkt dringend brauchen. Doch wenn wir kommenden Sonntag genauso stark aufspielen, bin ich zu hundert Prozent überzeugt, dass wir in Zizishausen gewinnen."

(Text und Bilder: Nico Schoch)