"Es ist kein Tschüss für immer": Das große Abschiedsinterview mit Yannik Leichs nach 16 Jahren TSB

Dieser Abgang ist ein besonders schmerzhafter für den TSB Gmünd: Trotz seines jungen Alters hatte sich Yannik Leichs für den Oberligisten längst unverzichtbar gemacht, ob als Torgarant im linken Rückraum oder auf der Spielmacher-Position. Kein Wunder, dass höherklassige Vereine längst auf den talentierten Rechtshänder aufmerksam geworden sind. Der Student selbst will seine rasante Entwicklung nun auf dem „Sprungbrett 3.Liga“ fortsetzen.

Kai Häfner, Djibril M´Bengue, Max Häfner, Andreas Maier – und demnächst Yannik Leichs? Mit dem 20-Jährigen schickt sich das nächste in der Gmünder Jugend ausgebildete Talent an, bald schon Erstliga-Luft zu schnuppern. Nach dem Wechsel zum Drittligisten TV Plochingen gehört der Rechtshänder auch dem „Anschlusskader“ von Frisch Auf Göppingen an und trainiert dort ab der neuen Saison regelmäßig mit den Profis unterm Hohenstaufen. Über den großen Traum von der Bundesliga, seinen Werdegang und den stillen Abschied vom TSB sprach Leichs im Interview mit Nico Schoch.
 
Zweieinhalb Monate ohne Handball – was macht Yannik Leichs in dieser Zeit?
 
Leichs: Ich fühle mich gerade ganz wohl. Gerade mit dem Studium – ich studiere Sport-Spanisch auf Lehramt in Tübingen – komme ich jetzt ganz gut voran, auch wenn man mit der Online-Lehre weitestgehend auf sich allein gestellt ist.
 
Wie hältst du dich sportlich fit?
 
Die Möglichkeiten waren bislang begrenzt, aber Joggen gehen kann man immer. Also war ich regelmäßig laufen und habe zuhause Krafttraining gemacht. Der Sport kommt also trotz allem nicht zu kurz (lacht).
 
Die Handball-Saison wurde in der Zwischenzeit abgebrochen. Wie erleichtert warst du, als am Grünen Tisch der Oberliga-Klassenerhalt des TSB perfekt gemacht wurde?
 
Mich hat es extrem gefreut, in dieser Zeit auch eine positive Nachricht zu erhalten. Wenn man die Entwicklung unserer letzten Spiele gesehen hat, finde ich sogar, dass der Klassenerhalt gar nicht ganz unverdient gewesen ist, auch wenn wir es letztlich nicht aus eigener Kraft geschafft haben. Doch mich mit dem Abstieg zu verabschieden, wäre mir überhaupt nicht lieb gewesen.
 
Findest du es umgekehrt nicht schade, dass der TSB dir keinen richtigen Abschied vor eigenem Publikum bereiten konnte?
 
Das wäre wahrscheinlich nicht ganz unemotional geworden. Deswegen bin ich auch ein bisschen erleichtert über den stillen Abschied, denn ich weiß nicht wie es sich in der Halle angefühlt hätte. Trotzdem hätte ich mich gerne in der Öffentlichkeit von allen verabschiedet und Danke gesagt. An die Mitspieler, Trainer, Fans und alle, die mir so viel Vertrauen entgegengebracht haben. Ich bin mir sicher, dass es kein Tschüss für immer ist, sondern dass man sich auf jeden Fall wieder trifft. Vielleicht sogar auf dem Spielfeld.
Es zieht dich nun zum TV Plochingen. Was waren die ausschlaggebenden Gründe für den Wechsel?
 
Zum einen kam für mich die Idee, dass ich etwas Neues ausprobieren will und vielleicht sogar muss, um mich sportlich weiterzuentwickeln. Zweitens ist da mein Studium in Tübingen. In der vergangenen Saison war es ziemlich hart, dreimal wöchentlich zum Training nach Gmünd zu fahren. Da ist viel Zeit auf der Strecke geblieben. Insofern habe ich auch einfach eine Erleichterung gesucht, um gleichzeitig mehr Sport zu machen bei gleichem Aufwand.
 
Du warst von mehreren Vereinen aus höheren Ligen umworben. Warum ist deine Wahl auf Plochingen gefallen?
 
Zum einen ist Plochingen der Kooperationsverein von Frisch Auf Göppingen, wo ich bereits in der Jugend gespielt habe. Künftig habe ich die Möglichkeit, zweimal die Woche bei den Profis mitzutrainieren. Das ist die optimale Möglichkeit, dazuzulernen und Erfahrungen zu sammeln. Zudem ist der TVP ein familiärer Verein, wie mir die Spieler und Trainer bestätigt haben. Das war mir wichtig, weil ich genau ein solches Umfeld auch beim TSB geschätzt habe.
 
Und dass der TVP trotz dem vorletzten Tabellenplatz in der 3.Liga bleibt, ist ja sicher auch nicht von Nachteil, oder?
 
Stimmt, denn das war nach dem Verlauf der Rückrunde nicht unbedingt zu erwarten. Umso größer ist die Vorfreude, dass ich mich bald in der 3.Liga beweisen darf.
 
Durch den Plochinger Klassenerhalt besteht für dich die Möglichkeit, in der neuen Saison mit einem Zweitspielrecht auch für den Frisch Auf in der 1.Bundesliga zu spielen. War das bereits ein Thema?
 
Bislang noch nicht. Doch wir werden das im Gespräch zwischen beiden Vereinen sicher klären. Jetzt bin ich erst einmal glücklich, dass ich die Möglichkeit habe, in Göppingen beim Training reinzuschnuppern und Erfahrungen zu sammeln. Der große Traum, einmal in der Bundesliga zu spielen, ist noch ein ganzes Stück weit weg, aber vielleicht klappt es in den nächsten Jahren tatsächlich.
 
Im Februar hast du bereits einmal in Göppingen trainiert. Wie war der erste Eindruck?
 
Rundum positiv. Anders als man vielleicht erwarten mag, waren die Profis sehr offen und haben mir viele Tipps gegeben. Einige Spieler kannte ich noch aus meiner Zeit in der A-Jugend. Alles in allem eine super Erfahrung, weil ein viel höherer Zug dahinter steckt, eine ganz andere Körperlichkeit und Dynamik noch dazu. Das hat sehr großen Spaß gemacht.
 
Deine Großmutter Reni Egenrieder ist ein absolutes Vereinsurgestein und Trägerin der Ehrenplakette des Stadtverbands Sport, dein Bruder Jonathan spielt beim TSB in der B-Jugend. Wie hat deine Familie reagiert, war sie eher enttäuscht oder verständnisvoll?
 
Enttäuscht gar nicht. Meine Familie unterstützt mich in allem was ich mache, weil sie wissen, dass ich mir jeden Schritt sehr gut überlege und der TSB mir extrem viel bedeutet. Die TSB-Urgesteine in der Familie sehen es selbstverständlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, weil sie mich gerne weiterhin in der Großen Sporthalle spielen gesehen hätten. Stattdessen werde ich mich eben künftig bei den Heimspielen auf der Tribüne zu ihnen setzen, um mich mit ihnen zu unterhalten (lacht).
Als Vierjähriger hast du dein erstes Handballtraining absolviert. Woran erinnerst du dich nach 16 Jahren beim TSB besonders gerne zurück?
 
Es sind gar keine einzelnen Erinnerungen. Was einfach weiterhin Fortbestand hat, sind viele Freundschaften, die auch über den Handball hinausgehen. Ich durfte tolle Leute kennenlernen, habe ganz viel Zuspruch von unseren Fans erfahren und mega viel Spaß gehabt. Dass ich in der Ersten Mannschaften sogar noch zusammen mit meinen zwei ehemaligen Jugendtrainern Sebi Fabian und Aaron Fröhlich zusammenspielen durfte, macht mich stolz.
 
Bleiben die C- und B-Jugendjahre besonders in Erinnerung? Immerhin habt ihr euch als erstes TSB-Team seit langem für die höchsten Ligen Württembergs qualifiziert und auch an internationalen Turnieren teilgenommen.

Das waren Hammer-Erlebnisse. Da ist einem richtig bewusst geworden, was es bedeutet, Teil eines Teams zu sein. Wir können froh sein, dass Sebi das alles in die Hand genommen und so viel Aufwand für uns in Kauf genommen hat. Unsere Ausflüge zu den Turnieren nach Kolding, Arnheim und Berlin haben den Teamzusammenhalt nochmals gestärkt, der mit ein Grund dafür war, weshalb wir damals erst in der Landes- und dann in der Württembergliga spielen konnten.
 
Dann kamen noch drei sehr wechselhafte Jahre in der Ersten Mannschaft hinzu, von denen du zwei noch als A-Jugendlicher erlebt hast. Abstieg, Wiederaufstieg, dann wieder Abstiegskampf – wie schwierig war dieses Wechselbad für dich?
 
Stimmt, es waren keine ruhigen Zeiten. Man konnte sich nie schonen oder eine Saison ruhig ausklingen lassen. Ich denke aber, dass gerade diese Drucksituationen einen jungen Spieler unglaublich weiter bringen, auch in der Persönlichkeitsentwicklung. Besonders in dieser Saison habe ich viel Verantwortung bekommen und wusste immer: Wenn ich einen Fehler mache, muss die Mannschaft dafür bezahlen. Doch das hat mich nie abgeschreckt. Ich wollte immer alles für dieses Team geben.
 
145 Treffern in 60 Partien sind jedenfalls stolze Werte für einen 20-Jährigen.
 
(schmunzelt) Das hört sich ziemlich gut an, war mir so aber bislang gar nicht bewusst. Wenn die Statistik das sagt, wird es wohl so sein und zeigt, dass ich mich sehr wohlgefühlt habe.
Werfen wir abschließend einen Blick nach vorne auf die kommende Saison: Was traust du dem TSB im zweiten Oberliga-Jahr zu?
 
Ich denke, dass beim TSB gute Maßnahmen ergriffen worden sind. Die drei Neuzugänge aus Remshalden sind allesamt gute Jungs und werden den Verein sicher weiter bringen. Auch unabhängig davon glaube ich, dass die Entwicklung nun wieder in die richtige Bahn gelenkt wird. Natürlich steht noch ein Fragezeichen dahinter, wie es sich mit dem neuen Trainer einspielt. Doch dadurch dass der Kern der Mannschaft zusammenbleibt und auch die altgedienten Sebi Fabian und Christian Waibel noch ein Jahr dran hängen, ist ein guter Grundstein gelegt. Vorausgesetzt, dass man die neue Saison mit weniger Verletzungspech bewältigt, steht dem Klassenerhalt nichts im Wege. Genügend Potenzial ist jedenfalls vorhanden.
 
Und wohin führt die Reise für den TV Plochingen in der 3.Liga?
 
In Plochingen wird alles dafür getan, um drin zu bleiben, was natürlich auch von Göppingen gewollt ist aufgrund der Kooperation. Das gesamte Umfeld, der ganze Trainerstab wird professionalisiert. Mit dem ehemaligen Zehnkämpfer Felix Hepperle kommt ein hervorragender Athletiktrainer neu hinzu, mit Felix Beutel aus Oppenweiler zudem ein drittligaerfahrener Torwart. Bei nur wenigen Abgängen ergibt das einen großen Kader, den es nach der Aufstockung der Liga auf 18 Mannschaften auch braucht. Dennoch wird es wieder sehr knapp mit dem Klassenerhalt werden, da darf man sich nichts vormachen.
 
Wisst ihr bereits, wann und wie ihr den Trainingsbetrieb aufnehmen könnt?
 
Unsere erste Zusammenkunft ist für den 8.Juli geplant. Ob das aber realisierbar ist, wird sich erst noch herausstellen. Da weiß Plochingen nicht mehr als alle anderen Vereine.

Vielen Dank für das Interview, Yannik! Der gesamte TSB wünscht dir alles Gute und viel Erfolg für deine Zukunft, sportlich wie auch privat, und freut sich auf ein baldiges Wiedersehen mit dir - bestenfalls in einer gut gefüllten Großen Sporthalle in der "Zeit nach Corona" !

Bildergalerie: Der Werdegang von Yannik Leichs (Bilder von Mario Klaiber und Jörg Frenze)

2013: Sven Petersen (l.) und Yannik Leichs (r.), damals noch in der C-Jugend und nominiert für die HVW-Auswahl. Vier Jahre später sollten beide gemeinsam für die Erste Mannschaft des TSB auflaufen.

Debütant: Bereits mit 17 Jahren schnupperte Leichs Oberliga-Luft, den bitteren Abstieg 2018 konnte aber auch der Youngster nicht verhindern.

Überflieger: Ausgestattet mit einem Zweitspielrecht entwickelte sich der Göppinger A-Jugend-Bundesligaspieler in der Saison 2018/19 zum spielbestimmenden Faktor im Gmünder Spiel.

Traumtor: Beim Auswärtsspiel in Donzdorf im Februar 2019 verwandelt Leichs einen Kempa-Trick sehenswert durch die Beine des gegnerischen Keepers und wird damit sogar für das "Tor des Monats" der Handball-Bundesliga nominiert. In der Abstimmung reicht es knapp nur zum zweiten Platz.

Stoppen? Unmöglich! Am direkten Wiederaufstieg in die BWOL ist Leichs maßgeblich beteiligt.

Alle gegen einen: Seine rasante Entwicklung setzt Leichs auch in der höheren Spielklasse unaufhaltsam fort und schwingt sich mit 93/3 Toren zum zweitbesten TSB-Torschützen der Saison 2019/20 auf.

Stiller Abschied: Bei der unglücklichen 32:33-Schlappe gegen den späteren Meister Pforzheim/Eutingen bestreitet Leichs sein vorerst letztes TSB-Heimspiel. Zwei Wochen darauf wird die Saison aufgrund der Corona-Krise vorzeitig abgebrochen.