Die Rückkehr in die Halle bleibt für die allermeisten Sportler eine ferne Sehnsucht. Yannik Leichs, der bis vor einem Jahr noch im Trikot seines Jugendvereins TSB Gmünd auflief, hingegen darf nach monatelangem Hoffen und Bangen endlich wieder (fast) ganz normal Handball spielen. Dem Rückraumspieler winkt mit dem TV Plochingen die Chance, sich über die Pokalrunde der 3.Liga für den DHB-Pokal zu qualifizieren. Ohne Schnelltests und Hygienekonzept geht dabei allerdings gar nichts.
Im Sommer 2020 hat er den Sprung gewagt. Yannik Leichs zog es weg vom Heimatverein, gleichzeitig eine Liga höher. Bereut hat der 21-Jährige diese Entscheidung nicht, ganz im Gegenteil sogar. Nicht nur, dass er sich durch die Nähe zum Wohn- und Studienort Tübingen viel Fahrtzeit erspart. Gleichzeitig fällt die 3.Handball-Liga in Baden-Württemberg unter die Spitzensportverordnung. Der Trainings- und Spielbetrieb bleibt somit auch während dem Corona-Lockdown, wenn auch unter strengen Auflagen, erlaubt. „Das alles konnte ich vor einem Jahr natürlich nicht vorhersehen, aber so ist es für mich persönlich den Umständen entsprechend gut gelaufen“, schaut Leichs zurück. Anders als seine früheren Teamkollegen aus Gmünd steht die Tür zur Halle für ihn offen, als gäbe es keine Pandemie. „Die Oberliga hat es viel härter erwischt und es ist es extrem bitter, dass dort gar nichts geht“, sagt er mit Blick auf den TSB: „Doch irgendwo muss eben eine Grenze zwischen Amateur- und Spitzensport gezogen werden.“
Jene Umstände, unter denen sich der Gmünder beim neuen Verein einlebte, als ungewöhnlich zu bezeichnen, ist noch stark untertrieben. „Ich bin von Anfang sehr gut aufgenommen worden und fühle mich trotz allem sehr wohl“, so Leichs, der gleichzeitig betont: „In bald einem Jahr habe ich erst acht Spiele bestritten, was es schwierig macht, sich einen stabilen Platz zu erarbeiten. Doch das Training macht Spaß und ich denke, ich befinde mich auf einem guten Weg.“ Immerhin hat der talentierte Rückraumspieler in Plochingen einen Zweijahresvertrag unterschrieben und gehört gleichzeitig dem Anschlusskader von Bundesligist Frisch Auf Göppingen an. Als Teil der Kooperation zwischen Dritt- und Erstligist sind die Teilnahme am Training und auf Dauer auch Spieleinsätze im Rahmen eines Zweitspielrechts möglich. Ein Angebot, welches Leichs bislang allerdings noch nicht wahrgenommen hat, wie er gesteht: „Vielleicht öffnet sich die Tür irgendwann. Aber zwei Handballmannschaften und ein Sportstudium unter einen Hut zu bringen, das wird mir zu viel. Aktuell will und kann ich gar nicht mehr leisten.“ Sein oberstes Ziel sei es immer noch, in Plochingen „voll anzukommen.“ Umso besser für Leichs, dass die 3.Liga vor drei Wochen in den Spielbetrieb zurückgekehrt ist: „Denn für einen jungen und neuen Spielen bleibt es einfach das Wichtigste, regelmäßig Spielpraxis zu sammeln.“
Ziemlich lange konnten die Drittligisten nicht mehr über sportliche Ziele nachdenken. Die reguläre Saison wurde im November unterbrochen und im Februar schließlich für beendet erklärt, Absteiger gibt es keine. Parallel zur Aufstiegsrunde in die 2.Bundesliga läuft nun die Pokalrunde, zu der sich die Vereine auf freiwilliger Basis melden konnten. Die Chance, sich für den DHB-Pokal zu qualifizieren, bietet einen zusätzlichen Reiz in diesen schweren Zeiten, besonders in finanzieller Hinsicht. Eben auch für den TV Plochingen, der in den Oberliga-Jahren 2013 bis 2018 noch regelmäßig in der Gmünder Großsporthalle zu Gast gewesen war. Als „sehr gelungen“ bezeichnet Leichs den neu entwickelten Modus: „Auf Dauer wäre es eng geworden, die normale Runde ordnungsgemäß zu Ende zu bringen und deshalb war es richtig, abzubrechen. Es ist mega wichtig, dass ein Spielangebot geschaffen wurde, damit die Sportler im Wettkampfmodus bleiben und die Vereine das hohe Niveau der Liga halten können.“
Dass die Austragung eines Handballspiels in diesen Tagen alles andere als selbstverständlich ist, darüber sind sich alle Beteiligten bewusst. Ebenso, dass dies den allermeisten Sportlern bis auf weiteres verwehrt bleibt. „Der ganze Verein, die ganze Mannschaft ist glücklich darüber, als Spitzensportler eingestuft zu sein. Deswegen ist es umso wichtiger, mit Vorsicht heranzugehen und auch entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“, so Leichs, der dieses Privileg gleich in doppelter Hinsicht sehr zu schätzen weiß. Ebenfalls unter Einhaltung eines Hygienekonzeptes wird an der Universität Tübingen die Präsenzlehre fortgesetzt. „Wir dürfen dort weiter Sport machen, alle Praxiskurse werden mit Maske und unter Auflagen durchgeführt“, berichtet der 21-Jährige. Wohlwissend, dass der Sport bei allen negativen Folgen der Corona-Maßnahmen sicherlich nicht das Wichtigste ist. Erst recht nicht der privilegierte Leistungssport. „Das alles fühlt sich schon ein bisschen komisch an“, gesteht Leichs: „Immerhin betreibe ich Handball immer noch als Hobby.“
Die freiwillige Runde der 3.Liga gerät derweil zu einem Schnelltest-Marathon ungeahnten Ausmaßes. Alle Spieler und Beteiligte werden dreimal pro Woche auf das Corona-Virus getestet. Am Spieltag selbst werden alle Spieler zwingend innerhalb von zwei Stunden vor dem Spiel getestet, die Testergebnisse müssen zur technischen Besprechung vorliegen. Nur so ist die verantwortungsvolle Ausübung der kontaktintensiven Mannschaftssportart überhaupt möglich. Erst recht, da die Fallzahlen in den vergangenen Wochen Rekordwerte erreicht hatten. Als die Plochinger nach der mehrmonatigen Pause vor der Pokalrunde wieder ins gemeinsame Training einstiegen, da beschlich Leichs anfangs ein leicht mulmiges Gefühl. Immerhin waren gerade erst neue Verschärfungen seitens der Politik in Kraft getreten. „Man darf sich nur noch mit einer weiteren Person aus einem anderen Haushalt treffen und läuft dann mit 15 anderen Jungs in der Halle herum“, beschreibt Leichs die durchaus paradoxe Situation. Die Bedenken hätten sich jedoch ziemlich rasch zerstreut: „Ich fühle mich innerhalb der Mannschaft sehr sicher. Wir kommen mit der Maske in die Halle und dürfen erst nach dem negativen Testergebnis anfangen zu trainieren.“ Zumal jeder Drittligist diese Vorkehrungen verpflichtend leisten muss. Leichs hat deshalb „überhaupt keine Angst, dass über unsere Sportart ein neuer Infektionsherd entsteht.“
Dass das Testkonzept und die dazugehörigen Maßnahmen greifen, haben die Plochinger längst selbst erfahren. Direkt nach den ersten beiden Partien gegen HBW Balingen-Weilstetten II (30:29) sowie die SG Leutershausen (29:29) musste der TVP Ende April wieder aussetzen. Bei der Regel-Schnelltestung am Montag nach dem zweiten Spiel wurde ein Akteur positiv auf das Corona-Virus getestet. Der Betroffene, der keinerlei Symptome aufwies, wurde sofort isoliert und begab sich in eine zweiwöchige Quarantäne, nachdem ein präziser PCR-Test das positive Ergebnis bestätigte „Alle weiteren Spieler wurden negativ getestet, keiner wurde angesteckt“, zeigt sich Leichs erleichtert. Dennoch wurden alle weiteren Einheiten sowie die bevorstehende Begegnung gegen den TSV Blaustein vorsorglich abgesagt. Erst nachdem alle Plochinger Teammitglieder innerhalb der angenommenen Inkubationszeit von 6 Tagen keine Infektionen aufwiesen, wurde der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen.
„Diese einwöchige Pause hat uns wieder etwas zurückgeworfen, immerhin sind wir gut gestartet“, zieht Leichs ein erstes kleines Zwischenfazit zur Pokalrunde. Fünf Tore erzielte der Ex-TSBler in vier Einsätzen bislang. Nach dem geglückten Auftakt habe man „Blut geleckt“, eines der zwei begehrten Tickets für den DHB-Pokal zu ergattern. Die beiden Niederlagen gegen Erlangen II (24:37) sowie am Samstagabend bei der TGS Pforzheim (22:28) sorgten dann umgehend für Ernüchterung. Trist wirkt es auch, dass es dank Corona zur Selbstverständlichkeit geworden ist, vor leeren Rängen zu spielen. Zuschauer können immerhin im Livestream auf dem Online-Portal www.sportdeutschland.tv mitfiebern. Die 4,50€, die ein Einzelticket kostet, kommen direkt den Vereinen zugute. Für die Plochinger (3:5 Punkte) dürfte es bei noch drei ausstehenden Partien schwer werden, die TGS Pforzheim (8:2) oder die SG Pforzheim/Eutingen (10:0) an der Tabellenspitze noch abzufangen.
“Generell sind wir einfach froh, dass wir uns endlich wieder im Wettkampfmodus befinden“, will Leichs allerdings auch keinerlei Druck erzeugen. Der DHB-Pokal ist erstmal nicht das Wichtigste. Aber natürlich gilt im Sport immer die Devise: „Wir haben das Selbstbewusstsein, in jedem Spiel etwas holen zu können. Wenn wir auf dem Spielfeld stehen, wollen wir als Mannschaft immer auf das bestmögliche Ergebnis zielen und gewinnen.“ Nicht zuletzt freut sich Leichs schon jetzt auf eine neue Saison, „die dann hoffentlich ganz anders verläuft.“ Und vor allen Dingen deutlich geregelter. Ohne Coronatests, dafür aber wieder mit vielen Fans in stimmungsvollen Hallen.
(Text: Nico Schoch – Bilder: TV Plochingen, TSB-Archiv)