Kollektives Aufatmen beim TSB Gmünd: Die Oberliga-Handballer haben ihre beinahe achtmonatige Corona-Zwangspause hinter sich gelassen. Mit einer gehörigen Portion „Jugend forscht“ und einem neuen, aber dennoch schon vertrauten Gesicht in ihren Reihen kehrten die Jets am Montagabend (14.Juni) in den Trainingsbetrieb zurück. Auf Spieler und Trainer gleichermaßen wartet eine völlig neue Art der Saisonvorbereitung.
Endlich wieder Training. Dennoch fühlt sich auch Dragoș Oprea in einer ungewollten Zeitschleife gefangen. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte der einstige Nationalspieler seine erste Trainerstation angetreten. Was seitdem passierte, ist kurz erzählt: Vier Monaten schweißtreibender Vorbereitung folgten lediglich vier Oberliga-Partien (zwei Siege, zwei Niederlagen), bevor abermals die Corona-Pandemie dazwischen grätschte. Im Februar wurde die Saison schließlich annulliert. Aller Ungewissheit zum Trotz wagen Oprea und sein Team nun erneut den Schritt hinaus aus dem Lockdown, hin zum handballerischen Alltag.
Als Trainer durchlebt man eine kuriose Zeit, wie Oprea unterstreicht: „Doch jetzt müssen wir nach vorne schauen. Wer nach einer solch langen Leidenszeit nicht total motiviert ist, wieder zu trainieren, ist fehl am Platz.“ Das Beste aus der Situation zu machen und gleichzeitig Geduld aufzubringen, beides ist fortan gefordert. Wann kann die neue Saison beginnen und wie lange wird sie überhaupt dauern? Droht im Falle einer erneuten Infektionswelle im Winter ein erneuter Abbruch? Über all diese Eventualitäten will der frühere Bundesliga-Linksaußen vorerst „keine Sekunde mehr“ nachdenken. „Alles, was wir in der eigenen Hand haben, uns an die Regeln und Vorsichtsmaßnahmen zu halten, das werden wir auch weiterhin vorbildlich machen“, betont der 39-Jährige: „Gerade deshalb ist jeder Einzelne, der zu unseren Verein gehört, gefragter denn je.“
228 Tage lang hatten die TSBler dem Re-Start entgegengefiebert. Die sinkenden Inzidenzen der vergangenen Wochen haben es erst möglich gemacht, sich ohne große Einschränkungen zum Trainingsauftakt im Stadion im Berufsschulzentrum zu treffen. Denn die Lockerungen gemäß der neuen Corona-Verordnung gehen derzeit weiter, als viele das noch vor wenigen Wochen für möglich gehalten haben: Da sich die Inzidenz stabil unter 35 befindet, entfallen beim Kontaktsport sowohl negativer Testnachweis als auch Personenbegrenzung. Beim TSB schätzt man sich glücklich, dass die Mannschaftssportler in der neuen Verordnung nicht völlig vergessen worden sind, nachdem die Jugendmannschaften bereits vor Pfingsten mit dem Outdoor-Training hatten beginnen dürfen. Nichtsdestotrotz stehen weiterhin die AHA-Regeln im Vordergrund: Wo immer möglich ist auf den Mindestabstand bzw. die geltenden Hygieneregeln zu achten. Darüber hinaus ist auf alle Übungsformen mit längerem, engem Kontakt zu verzichten. Obwohl erlaubt, verzichten die Handballer zudem auf das Duschen am Trainingsort.
Ungeachtet dessen erwartet Oprea von seinen Spielern, „seriös und konzentriert“ in jede Einheit zu gehen. Mit auf den Weg gegeben hat er ihnen eine zentrale Botschaft: „Wir müssen und werden uns nach dieser langen Zeit wieder daran gewöhnen, zusammen zu sein. Je mehr wir das jetzt tun, desto leichter wird uns im Laufe der Vorbereitung und der Saison alles weitere fallen.“ Der Trainer setzt dabei vor allem auf den Eigenantrieb. „Dass sich die Mannschaft und die Spieler selbst und gegenseitig motivieren, ist für mich weitaus wertvoller, als selbst Motivationsreden zu halten“, so Oprea: „Und auch wenn meine Jungs keine Profis sind, erwarte ich, dass sie sich ihrem Körper gegenüber wie Profis verhalten.“ Das beginne damit, dass sich alle Akteure bereits eine Viertelstunde vor Trainingsbeginn einfinden sollen, um sich zu dehnen, miteinander zu reden und gemeinsam auf die Einheit vorzubereiten. „Im letzten Herbst haben wir innerhalb der kurzen Zeit viel erreicht. Dieses Gefühl der Gemeinschaft ist immer noch da, doch es muss erst wieder aufgeweckt werden“, ist Oprea überzeugt. Um diesen Teamspirit herauszukitzeln, seien insbesondere die älteren Spieler gefragt.
Wobei: Ältere Spieler? Von denen gibt es beim TSB gar nicht allzu viele. Lediglich bei Tormann Sebastian Fabian, Abwehrchef Christian Waibel und Kapitän Aaron Fröhlich ziert bereits eine Drei die Alterszahl. Gleichzeitig ist der Jugendstil des TSB künftig noch ein Stück ausgeprägter als bislang. Von den 18 Mann auf dem Trainingsplatz (lediglich Jonas Waldenmaier fehlte studiumsbedingt) war die Hälfte noch nicht einmal 20 Jahre alt. Tom Abt, Valentin Pick, Patrick Watzl, Kai Kiesel sowie Hannes Kauderer entstammen dem eigenen Vorzeige-Jahrgang 2002. Ebenfalls erst der A-Jugend entwachsen ist Neuzugang Eric Zimmermann (FA Göppingen), der mit Kauderer das neue Linksaußen-Duo bildet. Frisch hinzugestoßen ist ebenso Gentian Krasniqi. Wobei der von der TG Geislingen stammende Rückraumspieler ein alter Bekannter ist, lief er doch schon in der Saison 2018/19 für die Gmünder B-Jugend auf. Noch ein weiteres Jahr für die A-Junioren spielberechtigt sind Rückraumspieler Arian Pleißner sowie Devin Immer. Wobei der junge Tormann aus Göppingen im Auftakttraining aufgrund einer Fingerverletzung nur eingeschränkt mitziehen konnte.
Nur nachvollziehbar, dass alle TSBler mächtig Lust verspüren, sich endlich wieder Harz an die Hände zu schmieren. Zunächst aber gilt es stabilisatorische und athletische Grundlagen zu legen. Am Montag bedeutete das konkret: Leichte Aktivierung, Lauftraining und danach 45 Minuten Dauerlauf, bevor der traditionelle Abschlusskick „Alt gegen Jung“ das Programm abrundete. „Der Körper muss sich erst wieder an die dauerhafte Belastung gewöhnen“, erklärt Oprea, der mit Sinn und Verstand an die Planung herantritt: „In der Anfangsphase wird die Belastung noch nicht so hoch, die Trainingseinheiten aber etwas länger und intensiver sein.“
Viermal wöchentlich wird nun trainiert, dabei pendeln die Jets abwechselnd zwischen Berufsschulzentrum, dem Trimm-Dich-Pfad im Lorcher Wald sowie dem Fitnessstudio Squash & Fit in Waldstetten. Das erste Hallentraining ist für Mitte Juli geplant, vorausgesetzt die derzeit als Impfzentrum genutzte Große Sporthalle ist bis dahin wieder verfügbar. In der eigenen Heimspielstätte (16.-18.Juli) ist auch das erste kurze Trainingslager anvisiert, den Feinschliff will Oprea seinem Team an einem gemeinsamen Wochenende in Freudenstadt (26.-29.August) verpassen.
Bis dahin gilt es weiterhin, auf positive Nachrichten zu warten. Wie etwa die jüngste Mitteilung vom Handballverband Württemberg (HVW), wonach Freundschaftsspiele und Turniere auf Basis der gültigen Verordnungen und mit Vorlage eines genehmigten Hygienekonzeptes ab sofort wieder möglich sind. Wann die Oberliga-Saison 2021/22 startet, in welchem Modus und ob mit 15 oder 16 Teams (falls die HSG Konstanz II aus der 3.Liga absteigen muss) ist ohnehin noch nicht absehbar. „Meine aktuelle Planung ist darauf ausgerichtet, dass wir Mitte oder Ende September in die Saison starten können“, zeigt sich Trainer Oprea zuversichtlich. Das Allermeiste bleibt zunächst im Konjunktiv – doch der TSB wappnet sich bestmöglich für die anstehende Mission.
Der TSB-Kader 2021/22
Tor: Sebastian Fabian (32 Jahre, beim TSB seit 2006), Devin Immer (18, Zweitspielrecht mit FA Göppingen U19), Daniel Mühleisen (24, seit 2019)
Rückraum: Tom Abt (18, seit 2010), Aaron Fröhlich (30, seit 2012), Gentian Krasniqi (18, Neuzugang TG Geislingen), Sven Petersen (22, seit 2004), Valentin Pick (18, seit 2012), Arian Pleißner (17, seit 2019), Marian Rascher (25, seit 2020), Nicola Rascher (22, seit 2020), Patrick Watzl (18, seit 2016)
Rechtsaußen: Wolfgang Bächle (26, seit 2013)
Linksaußen: Eric Zimmermann (19, Neuzugang FA Göppingen U19), Hannes Kauderer (18, seit 2018)
Kreis: Kai Kiesel (18, seit 2010), Stephan Mühleisen (24, seit 2019), Christian Waibel (33, seit 2002), Jonas Waldenmaier (24, seit 2014)
Trainer: Dragoș Oprea (39, seit 2020)
Durchschnittsalter der Mannschaft: 22,3 Jahre
(Text und Bilder: Nico Schoch)