Der Dusel-Heimsieg hält nur vier Sekunden lang

Der TSB Gmünd kassiert mit der Schlusssirene den Ausgleichstreffer und kommt nicht über ein 30:30 (16:14) – Remis gegen den Tabellenvorletzten TSV Schmiden hinaus. Allerdings hätten sich die Jets über eine Niederlage nicht beklagen dürfen.
 
Für vier Sekunden war Sven Petersen der Matchwinner. Als der TSB beim Stand von 29:29 die letzte halbe Spielminute zunächst clever herunterspielte und einen Freiwurf herausholte, wurden Erinnerungen an den 26:25-Auswärtscoup bei Tabellenführer Baden-Baden aus dem Oktober wach. Dieses Mal aber wuchtete Nicola Rascher den Ball nicht selbst ins Netz, sondern überraschte die Schmidener mit dem Pass auf Petersen, der aus spitzem Winkel vollendete. Doch der Gmünder Jubel, auch unter den 500 Fans auf der Tribüne, kam zu früh. Die Gäste schalteten blitzschnell um und der starke Lucca Holder (6 Tore) fasste sich aus zwölf Metern Distanz einfach ein Herz. Mit der Schlusssirene schlug die Kugel nun auf der Gegenseite ein – 30:30.
 
Die „Pumas“ aus Schmiden feierten das Unentschieden euphorisch und ihr neuer Trainer Almir Mekic, in der Saison 2019/20 noch beim TSV Alfdorf/Lorch an der Seitenlinie gestanden, freute sich über einen „perfekten Einstand.“ Der Vorletzte hatte sich diesen Punktgewinn im Abstiegskampf redlich erkämpft. Für den TSB war der Sieg nach einer couragierten Leistung zwar zum Greifen nahe, wäre aber aufgrund der defensiven Nachlässigkeiten doch ziemlich schmeichelhaft gewesen. „Von der Leistung, die wir zum Beispiel in Baden-Baden gezeigt haben und an der wir uns orientieren, waren wir heute ein ganzes Stück entfernt“, meinte der sichtlich geknickte Linksaußen Eric Zimmermann.

Die vierwöchige Winterpause habe seine Mannschaft aus dem Rhythmus gebracht, suchte Trainer Dragoș Oprea nach einer Erklärung dafür, dass die Gmünder zu keiner Zeit so wirklich den Zugriff gefunden hatten. „Unsere Abwehrleistung hat mich gewaltig gestört“, nahm Oprea kein Blatt vor den Mund: „Das ist immer eine Sache des Willens und wir wissen, das wir das können. Ich verstehe nicht, warum wir das nicht umgesetzt haben.“
Beide Defensivreihen hatten von Beginn an einen schweren Stand. Die Rückraumschützen nahmen die sträflichen Freiräume dankbar an. Nicola Rascher und Sven Petersen warfen die Hausherren in diesem wilden Spiel zunächst mit 6:5 (7.) in Front. Doch die Gmünder Durchschlagskraft ließ nach, Schmiden stellte auf 7:9 (13.). TSB-Kapitän Aaron Fröhlich fehlte mehrfach die Fortune, Rascher verzweifelte an Pfosten und Latte. Eric Zimmermann vergab gleich mehrere freie Würfe von Linksaußen, während sein ehemaliger Teamkollege aus der Göppinger Jugend, TSV-Tormann Magnus Riegel, immer besser ins Spiel kam. Dem gut aufgelegten Rechtsaußen Wolfgang Bächle war es zu verdanken, dass die Jets wieder zurückkamen und beim 12:11 (22.) ihre Führung wieder herstellten. Abermals geriet der TSB ins Hintertreffen, legte aber unmittelbar vor der Pause einen 4:0-Lauf hin. Als Bächle einen Konter zum 16:14 verwandelte, bebte die Halle.
Es hätte der Knackpunkt sein können. Doch Schmiden bewies „großartigen Charakter“, wie Mekic befand. Kurz nach Wiederanpfiff war beim 18:18 (35.) der Gleichstand hergestellt, die Gmünder verstrickten sich zunehmend in Einzelaktionen. „In dieser Phase sind wir von unserem Matchplan abgewichen, jeder wollte selbst das nächste Tor machen“, bemängelte Oprea: „Das hat uns ein Stück weit das Genick gebrochen.“ Die extreme Streuung im Abschluss tat ihr Übriges. Insgesamt leisteten sich die TSBler 21 Fehlwürfe, dieser Chancenwucher wurde bestraft. Die Gäste wirkten einen Tick gieriger und entschlossener. Beim Stand von 23:26 (49.) waren die Jets auf die Verliererstraße geraten.
Torwart Devin Immer läutete die Wende ein. Direkt nach seiner Einwechslung für den glücklosen Daniel Mühleisen parierte der 18-Jährige einen Siebenmeter und erwies sich als starker Rückhalt. Auf der Gegenseite verließ Bächle das Glück, sein fünfter Strafwurf prallte ans Lattenkreuz. Stattdessen verhalf ein herrlicher Kempa-Trick von Marian Rascher auf Tom Abt den Jets zur Führung. Als Nicola Rascher mit all seiner Wucht zum 29:27 (58.) einnetzte, war der „Duselsieg“ zum Greifen nahe. Doch innerhalb von nur 46 Sekunden war der Zwei Tore-Vorsprung wieder futsch. Einem Tor von Abt verweigerten die Schiedsrichter die Anerkennung, da Nicola Rascher zuvor mit einem Fuß im Kreis stand. Postwendend erzielten die Gäste das 29:29 (59.) und zu allem Überfluss wurde Marian Rascher mit glatt Rot vom Feld geschickt, da er Torschütze Tobias Pichler im Wurf umgerempelt hatte. Trotz Unterzahl markierte Petersen den vermeintlichen Siegtreffer, doch Schmiden hatte das letzte Wort.
 „Wir müssen mit dem Punkt zufrieden sein, denn Schmiden war die bessere Mannschaft“, resümierte Devin Immer durchaus treffend. Denn nach diesem Spielverlauf hätte sich der TSB auch über eine Niederlage nicht beschweren dürfen. „Wir haben gesehen, wie ausgeglichen diese Liga ist und dass jeder jeden schlagen kann“, ergänzte Zimmermann. In der Tabelle sind die Jets auf den siebten Rang abgerutscht – allerdings immer noch mit einem sicheren Acht Punkte-Polster zu den maximal fünf Abstiegsrängen.
 
Die Gmünder Heimbilanz hingegen bleibt mit zwei Siegen, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen ausbaufähig. „Wir wollen wieder eine Macht in unserer Halle werden, doch an diesem Tag waren nicht so aggressiv und bissig, wie wir es sein müssen“, so Oprea. Um am kommenden Samstag (20 Uhr / Markweghalle) bei der punktgleichen SG H2Ku Herrenberg zu bestehen, muss eine Steigerung her. Der Trainer nimmt seine Mannschaft bewusst in die Pflicht: „Wir wissen, dass wir mehr können.“ Der späte Nackenschlag gegen Schmiden hat den TSBler vor Augen geführt, dass sie ihren Erfolg aus der ersten Saisonhälfte nicht als selbstverständlich ansehen dürfen.

TSB: Daniel Mühleisen, Devin Immer – Wolfgang Bächle (9/4), Nicola Rascher (8), Sven Petersen (6), Tom Abt (3), Eric Zimmermann (2), Aaron Fröhlich (1), Marian Rascher (1), Stephan Mühleisen, Christian Waibel, Arian Pleißner, Patrick Watzl, Philipp Schwenk, Valentin Pick
TSV: Magnus Riegel, Marc Dürr – Lucca Holder (6/1), Christian Müller (5), Tobias Pichler (5), Moritz Klenk (4), Robin Mack (4), Matthias Fischer (3/1), Simon Mack (2), Marvin Klein (1), Leonard Gühne, Levi Leyh, Luca Bohl, Paul Feirabend, Tobias Mauer, Yves Steinhilper
Siebenmeter: TSB 6/4 – TSB 4/2
Zeitstrafen: TSB 8 Minuten – TSV 8 Minuten
Rote Karte: Marian Rascher (TSB/59./Gegenspieler beim Torwurf umgerissen)
Schiedsrichter: Simon Jakober, Michael Hommel (TSV Süßen)
Zuschauer: 500
 
„80 Prozent Einsatz reichen nicht“ – Stimmen zum Spiel
 
Gegen einen abstiegsbedrohte, aber willensstarke Gäste aus Schmiden musste sich der TSB Gmünd mit einem Unentschieden zufrieden geben. Trainer Dragoș Oprea ging hart mit seiner Mannschaft ins Gericht, doch auch seine Spieler äußerten sich selbstkritisch nach einer ihrer schwächsten Leistungen in dieser Runde.
 
Dragoș Oprea, TSB-Trainer: „Für uns ist ein glücklicher Punkt, mit dem wir allerdings nicht zufrieden sein können. Über 60 Minuten haben wir überhaupt nicht zu unserem Spiel gefunden. Wir waren in der Abwehrarbeit weit von unserem Level entfernt und haben zu viele Eins-Gegen-Eins-Situationen auf engstem Raum verloren. Die letzte Aktion, der Ausgleichstreffer von Schmiden, war deshalb sinnbildlich für das gesamte Spiel. Ich führe es meinen Jungs immer wieder vor Augen, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn wir mit voller Überzeugung auftreten. Die Härte und die Aggressivität, die uns auszeichnen, haben wir nicht gezeigt. Es war einfach zu wenig von allem.“
 
Almir Mekic, TSV-Trainer: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft, sie hat Charakter gezeigt. In nur einer Woche konnte ich nicht viel verändern, doch wir sind an die Kopfsache herangegangen. Ich habe meinen Jungs vermittelt, dass sie nicht anfangen dürfen, nachzudenken. Handball ist und bleibt ein Spiel. Wenn es dir Spaß macht, dann bist du erfolgreich. So lautet meine Philosophie. In der Abwehr haben wir gekämpft wie verrückt und vorne die Ruhe bewahrt. Beide Mannschaft hätten gewinnen können, am Ende war das Unentschieden gerecht. Es ist ein Punkt für unsere Moral, kann aber nur der erste Schritt gewesen sein. Die Jungs haben Selbstvertrauen gesammelt.“
 
Eric Zimmermann, TSB-Linksaußen: „Als junger Spieler erwischt man natürlich manchmal einen schwächeren Tag. Trotzdem hätte ich viel mehr aus meinen Chancen machen müssen, das tut mir ehrlich leid für die Mannschaft. Ich war mit dem Kopf nicht auf dem Feld und habe falsche Entscheidungen getroffen. Eine Pause wäre sicherlich sinnvoll gewesen, aber leider haben wir keinen zweiten Linksaußen als Back-Up. Es läuft noch nicht so, wie wir es uns vorstellen. In einigen Situationen hatten wir einfach auch Pech.“
Tom Abt, TSB-Rückraumspieler: „Es war ein Spiel auf Augenhöhe. Auf beiden Seiten stand die Abwehr nicht sehr stabil. Den Schwung vom Ende der ersten Halbzeit konnten wir leider nicht in die zweite Hälfte mitnehmen. Am Ende ist es ein gerechtes Unentschieden, mehr hatten wir nicht verdient. Es war zu sehen, dass wir als Team funktioniert und gekämpft haben. Wenn wir die Feinheiten verbessern, dann klappt es nächste Woche wieder mit zwei Punkten.“
 
Sven Petersen, vermeintlicher TSB-Siegtorschütze: „Wir können mit unserer Leistung nicht zufrieden sein. Viele haben von uns natürlich einen Sieg erwartet, doch mit nur 80 Prozent Einsatz reicht es eben nicht. Es lief einfach nicht rund, trotzdem haben wir zumindest einen Punkt gewonnen und müssen damit glücklich sein.“
 
Devin Immer, TSB-Tormann: „Da ich sowohl in Gmünd als auch in Göppingen bislang recht wenig Spielzeit bekommen habe, versuche ich jede Chance, die sich mir bietet, zu nutzen und das Beste aus mir herauszuholen. Mein Herz hat gepocht, als ich mit dem Rückhalt der Fans und der Mannschaft sofort den Siebenmeter halten konnte. Dadurch kam neuer Schwung ins Team und ich glaube, diese Aktion hat uns ein Stück weit wachgerüttelt.“


(Text: Nico Schoch - Bilder: Enrico Immer)