„Eine beeindruckende kämpferische Leistung“: Trotz Niederlage überwiegt der Stolz

Der aufopferungsvolle Kampf des letzten Aufgebots blieb unbelohnt. Über 50 Minuten lang führte der TSB Gmünd im Verfolgerduell beim HC Neuenbürg, musste sich am Ende aber unglücklich mit 28:29 (15:11) geschlagen geben. Youngster Tom Abt ging als achtfacher Torschütze voran, mit Florian Krazer gab ein weiteres TSB-Eigengewächs sein Oberliga-Debüt.

Die erste Enttäuschung war schnell verflogen. „Ein Unentschieden wäre mehr als verdient gewesen“, betonte Michael Hieber wenige Minuten nach Abpfiff. Im dritten Spiel nacheinander war der TSB-Abteilungsleiter für den an Corona erkrankten Cheftrainer Dragoș Oprea eingesprungen – und trotz der bis zum Äußersten angespannten Personalnot war lange Zeit sogar der dritte Sieg in Reichweite. Verblüffenderweise, muss dazu gesagt werden. Denn mit gerade einmal acht Feldspielern hatten die Gmünder ihre Fahrt in den Nordschwarzwald angetreten. Dafür, dass das intensive Spitzenspiel gegen starke Neuenbürger bis in die letzte Sekunde offen gestaltet wurde, gebührte dem letzten Aufgebot ein großer Respekt von Hieber: „Die kämpferische Leistung war beeindruckend, jeder hat versucht das Beste daraus zu machen. Ich kann mit Stolz sagen, dass der TSB eine charakterstarke Mannschaft hat.“
 
„Total stolz“ zeigte sich auch der Sportliche Leiter Jürgen Rilli: „Unsere Einsatzbereitschaft war überragend. Die Jungs haben sich voll reingeworfen und gegenseitig unterstützt. In einigen Situationen fehlten uns leider das Quäntchen Glück und die nötige Abgeklärtheit.“ Wobei die Niederlage mit Blick auf die Tabelle sicherlich zu verschmerzen ist. Die beiden Aufstiegsränge sind für den Tabellenfünften ohnehin außer Reichweite, der Klassenerhalt ist mit 28:16 Punkten längst nicht mehr in Gefahr.
Die Mannschaft hatte sich von selbst aufgestellt. Auf den Außenpositionen waren nur noch Eric Zimmermann und Wolfgang Bächle verblieben, am Kreis lastete die Verantwortung allein auf den Schultern von Jonas Waldenmaier. Währenddessen versuchten Nicola und Marian Rascher sowie Tom Abt das Fehlen eines Linkshänders im Rückraum bestmöglich zu kompensieren. Als Wechselmöglichkeit standen einzig Youngster Valentin Pick sowie Kreisläufer Florian Krazer aus dem Perspektivteam parat. Zum erhofften Comeback von Aaron Fröhlich kam es indes nicht. „Wir haben mit seinem Einsatz geliebäugelt“, meinte Hieber mit Blick auf den Kapitän, der in der Woche zuvor das Training geleitet und damit die „Hauptarbeit“ übernommen habe. Doch erschwerend zu den Problemen an der Achillessehne kam noch eine Erkältung hinzu, weshalb es für Fröhlich bei der Rolle als Co-Trainer blieb.
Eine kuriose Szene bot sich den 200 Zuschauern bereits beim Einlaufen der beiden Teams: Waldenmaier wollte zunächst auf der Bank Platz nehmen, sprintete dann aber noch seinen nur sechs Mitspielern aufs Feld hinterher. Ungeachtet aller Sorgen gelang dem TSB ein glänzender Start. Nicola Rascher wuchtete seinen ersten Wurf humorlos ins Netz, Tormann Daniel Mühleisen entschärfte den ersten gegnerischen Abschluss und Zimmermann verwandelte den Tempo-Gegenstoß zum frühen 2:0 (2.). „Wir haben einen wahnsinnig guten Handball gespielt und Neuenbürg auch spielerisch klar dominiert“, findet Hieber. Seine Abwehr verrichtete einen hervorragenden Job, Mühleisen verzeichnete bereits nach einer Viertelstunde seine siebte Parade und nahm dem Neuenbürger Torjäger Xaver Nitzke prompt auch den ersten Siebenmeter ab. So konnte der TSB auch sechs Minuten ohne Torerfolg verschmerzen, ehe Marian Rascher auf 9:5 (20.) erhöhte.
 
Die Gäste hätten ihren Vorsprung sogar weiter ausbauen können, doch Mühleisens Distanzwurf verfehlte das leerstehende Tor knapp. Stattdessen hielt der achtfache Torschütze Timo Bäuerlein den HCN im Spiel, Rechtsaußen Nitzke brachte die Hausherren kurzzeitig auf 12:10 (27.) heran. Angetrieben vom trickreichen Tom Abt blieben die Gmünder allerdings ebenso geduldig wie treffsicher. Abt selbst stellte den alten Vier Tore-Abstand wieder her und setzte kurz darauf gekonnt Bächle in Szene, der den 15:11-Pausenstand besorgte. Den zweitbesten Angriff der Liga hatte der TSB weitestgehend im Griff, wie Hieber betonte: „Wir haben das Tempo komplett bestimmt, das ist ein Zeichen für die Qualität einer Mannschaft. Doch natürlich sind uns die Körner mit der Zeit immer weiter ausgegangen.“
 
Bedingt durch den dünnen Kader wurde die intensive Begegnung für die Gmünder mehr und mehr zu einer Gratwanderung. Erst recht nachdem sich Abt gleich zu Beginn der zweiten Hälfte seine zweite Zeitstrafe einhandelte. Ein enormes Handicap für den TSB. Das Risiko, seinen an diesem Abend wertvollsten Akteur durch eine Rote Karte zu verlieren, wollte Hieber keinesfalls eingehen. Die nun noch größeren Umbauten in der Abwehr „haben uns schon ein paar Tore gekostet“, gestand sich Rilli. Selbst in Unterzahl schlug sich der TSB bravourös, Marian Rascher erhöhte sogar auf 20:15 (38.). Doch Neuenbürg meldete sich mit enormer Durchschlagskraft aus dem Rückraum zurück. Alexandru Vulpe und Kevin Langjahr (beide sechs Tore) belebten das Spiel sichtbar, beim 20:18 (41.) waren die „Foxes“ wieder in Schlagdistanz gelangt. Gegen den rumänischen Linkshänder Vulpe hatte insbesondere der erst 19 Jahre junge Valentin Pick Schwerstarbeit zu verrichten. „Wie er sich gegen einen der besten Spieler der Liga gestellt hat, war aus meiner Sicht faszinierend“, lobte Hieber – zumal diese Situation nicht zu trainieren gewesen sei.
 
Ein weiteres Eigengewächs durfte in diesem Kampfspiel erstmals Oberliga-Luft schnuppern. Florian Krazer sorgte in der Abwehrzentrale für ein wenig Entlastung und deutete sein großes Potenzial an. „Er hat in diesem Mittelblock noch nie trainiert und seine Rolle trotzdem hervorragend ausgefüllt“, freute sich Hieber. Der 20-jährige Hüne könne auch in Zukunft ein Kandidat für den Oberliga-Kader sein.
 
Doch besonders im Angriff machte sich beim TSB ab der 40.Minute der enorme Kräfteverschleiß bemerkbar. Einen einfachen Ballverlust bestrafte Neuenbürg mit dem 21:20 (43.). „In dieser Phase ist uns ein bisschen die Kraft ausgegangen“, haderte Hieber mit vielen verlorenen Zweikämpfen. Gegen eine kompakte Neuenbürger Abwehr fanden die Jets kaum noch ein Durchkommen. Zwar verhinderte Mühleisen mit einer Doppelparade zunächst den Ausgleich, woraufhin Zimmermann im Tempospiel zum 24:22 (48.) traf. Der Knackpunkt war es, dass der TSB die Chance liegenließ, erneut auf drei Tore davonzuziehen. Der HCN wiederum war kaltschnäuziger und zog beim 24:24 (51.) erstmals gleich. Bächle warf den TSB nochmals in Führung – allerdings zum letzten Mal. Nach einem Fehlwurf von Nicola Rascher nutzte Neuenbürg den schnellen Gegenstoß, um erstmals selbst in Führung zu gehen. Kurz darauf war es Bäuerlein, der im Fallen mit dem Rücken zum Tor äußerst sehenswert zum 25:27 (55.) traf. „Neuenbürg war abgeklärt“, befand Rilli: „Viele solche Kleinigkeiten haben uns dann ganz arg weh getan.“
 
Das Spiel schien für den TSB bereits verloren. „Aber dann kommt das, was diese Mannschaft einfach: Wir waren wieder dran“, sagt Hieber und spielt damit auf die herausragenden Comeback-Qualitäten der Jets an. Das 26:27 durch Bächle (55.) ließ nochmals Hoffnung aufkeimen. Nachdem der im zweiten Durchgang oftmals glücklose Mühleisen seine Mannen mit einer Parade weiter im Rennen hielt, verwandelte auch Marian Rascher auch seinen vierten Strafwurf ganz lässig und Abt markierte 90 Sekunden vor dem Ende tatsächlich den 28:28-Ausgleich (59.). Im direkten Gegenzug warf Nitzke den HCN zwar mit 29:28 in Front, doch die letzte Minute gehörte dem TSB.
 
Und es kam zu einer Szene, welche die Gemüter erhitzte: Abt war erneut nur durch ein Foulspiel zu bremsen und holte die Zeitstrafe heraus, doch der Siebenmeterpfiff blieb aus. „Da gibt es eigentlich keine andere Entscheidung“, kritisierte Hieber das ansonsten sehr souverän leitende Schiedsrichterduo: „Diese Aktion am Ende kostet uns wahrscheinlich einen verdienten Punkt.“ Wobei der TSB diese Chance in Überzahl selbst aus der Hand gab: Der finale Pass auf Linksaußen Zimmermann landete im Aus, die Willensleistung blieb unbelohnt.
Was allerdings nichts daran änderte, dass die Gmünder erhobenen Hauptes die Heimreise antraten. „Die Mannschaft hat bewiesen, zu welchen Leistungen sie selbst in so einer kritischen Situation fähig ist“, verbreitete Rilli Zuversicht. Mit einer Prise Galgenhumor fügte der Sportliche Leiter dann noch hinzu: „Der Plan ist, dass wir uns irgendwo einen Wunderheiler holen, um kommende Woche wieder voll anzugreifen.“ Denn das Heimspiel am Samstag (19:30 Uhr / Große Sporthalle) gegen den TSV Weinsberg verspricht erneut einen heißen Tanz: Der Fünfte empfängt den Siebten. „Wir wollen am Donnerstag zumindest ein vollzähliges Abschlusstraining absolvieren“, hofft Rilli darauf, die Ersatzbank bald wieder auffüllen zu können – auf der dann auch der wiedergenesene Trainer Oprea wieder Platz nehmen soll.
HCN: Konstantin Regelmann, Tobias Krems – Timo Bäuerlein (8/6), Alexandru Vulpe (6), Kevin Langjahr (6), Xaver Nitzke (5), Nils Pollmer (2), Marius Angrick (1), Phil Burkhardt (1), Kaspar Veigel, Yannik Wowro, Felix Kracht, Joshua Wesierski, Niklas Blum
TSB: Daniel Mühleisen, Devin Immer – Tom Abt (8), Marian Rascher (8/4), Nicola Rascher (4), Eric Zimmermann (4), Wolfgang Bächle (3), Jonas Waldenmaier (1), Florian Krazer, Valentin Pick
Siebenmeter: HCN 7/6 – TSB 4/4
Zeitstrafen: HCN 8 Minuten – TSB 8 Minuten
Schiedsrichter: Carsten Müller, Philipp Schmidt (SV Leonberg/Eltingen)
Zuschauer: 200
 
(Text: Nico Schoch – Bilder: Enrico Immer)