Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: Nach dem Fehlstart in die Rückrunde sieht TSB-Trainer Michael Hieber die Mannschaft in der Pflicht (Nico Schoch)
Bereits zu Saisonbeginn sprach Michael Hieber von der härtesten Aufgabe seiner bisherigen Trainerlaufbahn. Doch dass sich die Lage beim Gmünder Oberligisten dermaßen zuspitzen würde, hätten wohl nur wenige Pessimisten erwartet. Der TSB-Trainer muss nun schleunigst die akuten Mängel abstellen, die seine Mannschaft offenbart. Es fehlt speziell an den Tugenden, die im Abstiegskampf gefragt sind.
Der TSB Gmünd steht mit dem Rücken zur Wand. Auch der Chefcoach wollte am Sonntagabend gar nicht erst dementieren, dass sein Team vor allem im zweiten Durchgang aufgetreten ist wie ein potenzieller Absteiger. In erschreckender Art und Weise hatten die Stauferstädter beim 29:37 in Söflingen ihre mittlerweile neunte Auswärtsniederlage der laufenden Runde hinnehmen müssen und Hieber kam zu dem folgerichtigen Schluss, dass "wir aktuell der Absteiger Nummer eins sind." Tatsächlich ist das Bild, das die Gmünder im Spätwinter des Jahres 2018 abgeben, genauso alarmierend wie die statistischen Fakten, die aus der Tabelle abzulesen sind: Vier der letzten fünf Partien gingen verloren, mit 11:19 Zählern stagniert man am düsteren Tabellenende. Gemessen an den Auswärtsspielen, ist der TSB die schwächste Mannschaft der Oberliga. Derzeit belegt man den vierzehnten Rang, in jedem Fall ein direkter Abstiegsrang. Der Rückstand zum rettenden Ufer beträgt noch "nur" drei Zähler, doch er könnte in den kommenden Wochen weiter anwachsen. Festzuhalten ist: In der aktuellen Verfassung werden die Gmünder das erhoffte fünfte Oberliga-Jahr nicht erreichen können.
Hieber war am Sonntagabend entsprechend bedient: "Söflingen wusste, dass wir in der Krise sind und hat alles reingehauen. Wir hingegen waren nicht bereit, als eine Einheit den Kampf anzunehmen." Die Mängelliste, die der 40-Jährige mit seinem Team abarbeiten muss, ist lang und komplex. "Wer meint, dass wir einfach so den Klassenerhalt schaffen, der ist falsch gewickelt und hat keine Ahnung vom Handball", sagt Hieber klipp und klar. Der Abstieg ist im Schwerzer deshalb längst kein Tabuthema mehr. So gab Tormann Sebastian Fabian bereits nach dem verpatzten Jahresauftakt in Neckarsulm (28:38) zu Protokoll, dass "wir mit einer solchen Leistung auch in der Württembergliga in genügend Hallen verloren hätten und uns ohne eine Steigerung nächstes Jahr dort wiederfinden werden." Der erhoffte Umschwung ist ausgeblieben, die kurzzeitige Euphorie nach der Fröhlich-Rückkehr mit drei Siegen in Folge im November 2017 längst verflogen – der TSB befindet sich in der tiefsten Krise der Hieber-Ära und steckt knöcheltief im Abstiegssumpf.
Um sich dort herauszukämpfen, ist jetzt Charakter gefragt. Doch selbst die zentrale Achse mit den erfahrenen Anführern Fabian, Fröhlich und Sos vermag den Mitspielern derzeit keinen Halt zu geben. Zugleich ist im Umfeld immer noch die Grundeinstellung zu spüren, dass die Mannschaft zu stark für den Abstieg ist – dies könnte sich als fataler Trugschluss erweisen. Denn die Stärken der unmittelbaren Konkurrenten im Tabellenkeller hat ein meist zu lasch auftretender TSB schmerzhaft zu spüren bekommen. Dass die Hieber-Sieben insbesondere bei den Aufsteigern in Steißlingen (24:33) und Neckarsulm sowie zuhause gegen Remshalden (22:30) deftige Klatschen hinnehmen musste, spricht Bände.
Michael Hieber spart daher nicht an Kritik, betont aber zugleich auch, "dass es völliger Quatsch ist, dass die Mannschaft nicht will." Die Problempunkte seien andere: "Zum einen ist die Mannschaft verunsichert und zum anderen nicht bereit ist, über die Schmerzgrenze zu gehen. Deshalb müssen wir jetzt dahin gehen, wo es weh tut. Das wird für den ein oder anderen vermutlich nicht so viel Spaß machen." Der Trainer nimmt sein Team in die Pflicht und fordert, dass sich jeder Einzelne selbstkritischer betrachtet. "Bei uns hinterfragen sich Offizielle mehr als die Spieler. Jetzt muss jeder vor seiner eigenen Haustüre kehren. In der jetzigen Form spielen manche Spieler drei Klassen zu hoch", meint Hieber und fügt hinzu: "Vielleicht haben wir unsere Spieler überschätzt. Viel eher ist es aber so, dass sich unsere Spieler überschätzen." Doch die erhoffte Trotzreaktion lässt weiterhin auf sich warten.
Naturgemäß nährt eine solche Talfahrt auch die Zweifel an der Arbeit des Trainers. Es liegt sicher auch an ihm, die akuten Mängel schnellstmöglich abzustellen, um die Restchance auf den Klassenerhalt am Leben zu erhalten. Zumal der 40-Jährige zum Abschied von der Trainerposition seinen allerersten Abstieg mit dem TSB um jeden Preis vermeiden möchte. Zu seiner Position spricht Hieber Klartext: "Man kann mich und mein System hinterfragen und ich würde im Zweifelsfall sicher niemandem im Wege stehen, aber ich laufe sicherlich nicht weg. Solange ich noch die Ideen habe, werde ich mein Bestes geben." Doch die Herausforderung besteht nun darin, wie das Feuer in der Mannschaft neu entfacht werden kann.
Der Trainer hatte den Fokus bewusst auf die eigene Defensive gerichtet. Fehlt, wie zuletzt, die Bereitschaft, aufrichtig zu verteidigen, wird die Abwehr prompt löchrig und anfällig. Noch dazu fehlt mit Christian Waibel weiterhin der wohl wichtigste Mosaikstein in der Defensivarbeit, welche in den vergangenen Jahren zumeist die Grundlage aller Erfolge war. "Wir haben im ganzen Spiel nur drei Zweikämpfe gewonnen und das war Glück, weil wir auf die richtige Seite gelaufen sind. Wenn wir unser System konsequent gespielt hätten, wären wir unter 25 Gegentreffern geblieben", kritisierte Hieber nach der jüngsten Niederlage. Die nötige Bereitschaft, ans Limit zu gehen, habe schließlich gefehlt. Aus Sicht des Trainers verbleiben zwei Lösungsansätze: "Entweder wir stellen unser ganzes System in Frage, dass uns mit ähnlichem Personal vor zwei Jahren zur drittbesten Abwehr der Liga gemacht hat. Der sinnvollere Weg ist es aber, die Ärmel hochzukrempeln und mit dem Jammern aufzuhören. Wir müssen Männer sein und unser Schicksal in die eigene Hand nehmen." Das enorme Defizit, welches dem TSB derzeit stets weit über 30 Gegentreffer beschert, ist für Hieber ein Problem von fehlendem Kampf und Temperament im Abwehrverhalten. "Die Mannschaft muss nun endlich den Kampf annehmen, anstatt sich hinter irgendwelchen Ausreden und Floskeln zu verstecken", fordert er.
Es sind alarmierende Worte, die den schlechten Trend untermauern. Just in dieser Phase der Saison, in der die entscheidenden Partien dicht bevorstehen, lassen die Spieler die nötige Leidenschaft vermissen. Von der läuferischen Stärke und den aggressiv geführten Zweikämpfen, mit denen der TSB im Herbst noch Spitzenreiter Baden-Baden niederringen konnte, ist nur noch wenig zu sehen und zu spüren.Die kommenden beiden Heimspiele gegen die Spitzenteams aus Weilstetten und Herrenberg werden den unbedingten Siegeswillen der Gmünder verlangen. Denn mit jedem weiteren Misserfolg wächst die Anzahl der Minuspunkte, schwindet das Selbstvertrauen ebenso wie die Hoffnung auf den Klassenerhalt. "Ich glaube nicht, dass wir an dem Druck zerschellen", gibt sich Hieber kämpferisch. Doch klar ist, dass dem TSB in diesem Frühjahr die ungewohnt unangenehme Wochen bevorstehen. Rein rechnerisch, dürfen nur noch vier der ausstehenden zwölf Partien verloren gehen, will man die anvisierten 27 Punkte erreichen. Noch ist nichts entschieden, aber um im Rennen zu bleiben, muss schnellstmöglich die Wende erfolgen. Am besten im kommenden Heimspiel gegen den TV Weilstetten (Samstag, 19:30 Uhr). Die Mannschaft müsse nun mehr investieren, wie Hieber anmerkt: "Nur über den Kampf können wir zu positiven Erlebnissen und neuem Selbstvertrauen kommen. Wir werden die Zügel noch einmal straffer ziehen, obwohl im Training eigentlich sehr gut arbeiten. Aber genau das bringen wir derzeit gar nicht auf die Platte."