Das Hoffen auf die späte Auferstehung

 

Handball, Baden-Württemberg-Oberliga: Im verzweifelten Kampf um den Klassenerhalt hilft dem TSB Gmünd einzig und allein ein Heimsieg gegen den favorisierten TV Willstätt 

Während die direkten Konkurrenten zuletzt fleißig punkteten, konnte der TSB Gmünd an den vergangenen fünf Spieltagen lediglich einen Sieg einfahren. Um die Restchance auf den Klassenerhalt am Leben zu erhalten, benötigt der Tabellendrittletzte am Samstagabend (19:30 Uhr/Große Sporthalle) einen Überraschungserfolg gegen den zweitplatzierten Aufstiegskandidaten TV Willstätt – und auch ein wenig Schützenhilfe. 

Von Nico Schoch

Die Chancen auf den direkten Klassenerhalt sind für den TSB Gmünd auf ein Minimum zusammengeschrumpft, vielmehr ist sogar der "Worst Case" eingetreten: Das Hieber-Team (14.Platz/19:31 Punkte) benötigt zwei Siege in den verbleibenden Partien gegen Willstätt und Lauterstein, kann die am rettenden Ufer liegenden Remshalden (11./21:35) und Blaustein (12./21:35) aber selbst dann nicht mehr aus eigener Kraft mehr einholen. Damit die Gmünder zumindest Relegationsrang 12 erobern können, müssen jene beiden Kontrahenten noch mindestens ein Spiel verlieren. Und so richten sich die Blicke im Schwerzer am Samstag auch nach Baden-Baden, wo der SV Remshalden beim bereits feststehenden Meister antreten muss. Vier eigene Pluspunkte und ein wenig Schützenhilfe – so könnte also das Rezept für das "Wunder von Gmünd" lauten, auf das Michael Hieber seine Mannen derzeit einschwört. "In guten wie in schlechten Zeiten", so beschwört der Coach den Zusammenhalt: "Ich stehe und falle mit dieser Mannschaft."

 

Die entscheidende Frage dürfte nun sein, ob die TSBler dem nervlichen Druck standhalten können. Bislang ist man diesen Befund schuldig geblieben. Denn zuletzt wirkte das Team auf dem Feld allzu oft verkrampft und mutlos, die Konstanz in den Leistungen fehlte im gesamten Saisonverlauf. Nicht umsonst sind die Blau-Gelben nach teils miserablen Auftritten die zweitschwächste Rückrundenmannschaft ligaweit. "Mit einer solchen Leistung würden wir auch in den meisten Hallen der Württembergliga nichts holen", meinte Tormann Sebastian Fabian bereits im Januar nach der 27:37-Pleite in Neckarsulm, welche auch für die Moral einen weiteren Tiefschlag bedeutete. Denn auf die spielerische Entwicklung und das "höhere Niveau", welches Hieber in der Winterpause versprochen hatte, warten die eigenen Fans bislang vergebens. Stattdessen macht sich der TSB das Leben von Woche zu Woche selbst schwer, ob mit individuellen Fehlern in der Abwehr oder einer unterirdischen Torabschlussquote wie bei der jüngsten 21:28-Niederlage in Blaustein. "Wenn wir nicht mehr an unser System, das jahrelang erfolgreich war, glauben, sind wir als Kollektiv zu schwach", so attestiert Hieber seinem Team ein "psychologisches Problem" und fügt hinzu: "Die Mannschaft ist insgesamt zu unkonstant und da tut man sich auch als Trainer schwer, die richtigen Ansätze zu finden." Dass auf dem Feld zuletzt das sprichwörtliche "Feuer" fehlte, will der 40-Jährige gar nicht erst bestreiten. 

 

Die Gründe für die anhaltende TSB-Talfahrt liegen allerdings viel tiefer. "Wir haben es dieses Jahr zum ersten Mal nicht geschafft haben, Spieler so weiterzubringen, dass sie schon in ganz jungen Jahren zu Leistungsträgern in der BWOL werden", erklärt Hieber. Eine weitere Erklärung liegt aus seiner Sicht darin, dass zu viele Spieler zu wenig Verantwortung übernehmen. Für den Trainer ein schleichender Prozess: "Denn wir verlieren jahrelang wichtige Spieler, andere müssen in die Rollen hineinwachsen. Irgendwann sind wir eben nicht mehr in der Lage, dies auszugleichen." Auch Spielmacher Aaron Fröhlich, oftmals Alleinunterhalter und einziger Fixpunkt in der Gmünder Offensive, weist auf den langfristigen Trend hin: "Wir müssen uns eingestehen, dass wir in der Rückrunde im Schnitt schlechter auftreten als noch zum Ende der Hinrunde. Ich sehe die Misere darin begründet, dass wir uns konstant nicht verbessert, sondern eher verschlechtert haben. Die Konsequenz daraus ist, dass wir aktuell nicht die nötige Qualität besitzen."

 

Fröhlich betont auch, dass "wir diese Entwicklung nicht innerhalb der kommenden beiden Wochen drehen können." Die Hoffnung auf einen Coup gegen Willstätt besteht dennoch – doch dafür muss wirklich alles klappen. "Da wir momentan nicht in der Lage sind, gegen einen solch starken Gegner ein Offensivfeuerwerk abzubrennen, müssen wir in der Abwehr mit viel Kampf dagegenhalten und unter 25 Gegentreffern bleiben", fordert Fröhlich. Kann die vermeintlich aussichtslose Lage noch einmal frische Kräfte freisetzen? "Solange rein rechnerisch noch alles möglich ist, werde ich einen Teufel tun, diese Saison abzuhaken", gibt sich Michael Hieber kämpferisch. 

 

Eine Niederlage gegen Willstätt könnte die vorzeitige Entscheidung im Abstiegskampf bedeuten, ein Überraschungserfolg hingegen doch noch die späte Wende einleiten. Letzteres ist der Strohhalm, nach dem alle Optimisten im Gmünder Lager greifen. Mit Nervenstärke und Selbstbewusstsein könnte der TSB doch noch ein Entscheidungsspiel am letzten Spieltag bei der SG Lauterstein erzwingen. Natürlich machen sich die vermeintlich zum Abstieg Verurteilten noch Mut, so auch Aaron Fröhlich: "Im Sport ist alles möglich. Wir müssen uns zerreißen und auch ein bisschen Glück haben, das wir zuletzt nicht hatten." Sein Trainer ist sich sicher, dass "Totgesagte länger leben" und der TSB am Samstagabend entgegen aller Erwartungen eine Auferstehung feiern kann. Denn es gilt immer noch: Abgerechnet wird erst am Schluss.