Ein "positiv Verrückter" auf den Spuren seines Lehrmeisters

Mit 19 Jahren bereits dem Kader einer ambitionierten Württembergliga-Mannschaft anzugehören, ist gewiss ein großer Erfolg. Sich dann auch noch während den Einsatzzeiten mehrfach auszeichnen zu können, umso mehr. Für Giovanni Gentile geht derzeit ein Kindheitstraum in Erfüllung: Gemeinsam mit seinem großen Vorbild und Mentor Sebastian Fabian bildet er das Torhütergespann beim TSB Gmünd und verfolgt große Ziele.


Es war im Sommer 2004, da begeisterten sich zwei Gmünder Jungs erstmals für den Handballsport: Giovanni Gentile und Sven Petersen, damals noch im Kindergartenalter, trugen bei den "Minis" erstmals das TSB-Trikot. Gemeinsam durchliefen die beiden Jugendfreunde sämtliche Nachwuchsklassen und sind nun ganz oben angekommen. "Wir sind schon immer beste Kumpels und daher ist es umso schöner, dass wir nun gemeinsam auf der Platte stehen und das Ding rocken", sagt Petersen heute. Das "Ding", das die beiden Eigengewächse rocken wollen, bedeutet, in den kommenden Jahren ihren Teil zur erhofften Oberliga-Rückkehr beizutragen. Seinen acht Monate jüngeren Weggefährtem bezeichnet Petersen als "Maschine" und meint anerkennend: "Er brennt immer auf seine Einsätze und will seine Chance nutzen."

Für diese Chance, sich in der Württembergliga zu beweisen, hat Gentile in den vergangenen Jahren viel Herzblut investieren müssen. Während Petersen für den TV Bittenfeld in der A-Junioren Bundesliga brillierte und in Gmünd sofort zum Leistungsträger im rechten Rückraum avancierte, musste der Tormann einen Umweg gehen. Die zwei A-Jugendjahre umging Gentile und wagte stattdessen bei der Zweiten Herrenmannschaft den Sprung ins kalte Wasser, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Es habe konkrete Angebote höherklassiger Vereine gegeben, verrät Gentile, er hat diese jedoch allesamt abgelehnt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: "Der TSB war und ist schon immer mein Verein, deswegen will ich mich hier durchsetzen." Für den Wiederaufstieg des TSB II in die Bezirksklasse war der junge Rückhalt unverzichtbar und profitierte selbst davon, dass er fast immer die volle Spielzeit auf dem Feld stand. Dass die Spieler der Ersten bei den Heimspielen zugeschaut haben, bedeutete eine weitere Zusatzmotivation: "Dann willst du natürlich erst recht zeigen, was du drauf hast."

Der damalige Trainer Michael Hieber erkannte das große Potenzial und schenkte Gentile in der vergangenen Oberliga-Saison bereits Spielminuten auf ganz hohem Niveau. Nicht weniger wertvoll waren die Tipps, die sich der Jungspund im gemeinsamen Training mit den erfahrenen Torhütern Philipp Neukamm und Sebastian Fabian holte. "Ich bin ungemein dankbar dafür, dass ich aus diesem Jahr so viel mitnehmen durfte", so Gentile rückblickend. Nachdem der 39-jährige Neukamm im Sommer zu seinem Heimatverein SG Hofen/Hüttlingen wechselte, waren sich die Gmünder Verantwortlichen sofort einig, Gentile fest in den Württembergliga-Kader einzubauen. Ein Schritt, den ihm wohl nicht viele Beobachter zugetraut haben, immerhin entspricht seine Körpergröße von gerade einmal 1,79 Meter keinesfalls dem branchenüblichen Gardemaß für einen Torhüter. Verdient hat er sich den Aufstieg dank seiner starken Entwicklung aber allemal.

Als zweiter Tormann hinter Kapitän Sebastian Fabian zumeist nur auf der Ersatzbank sitzen, bedeutet für Gentile keine Enttäuschung. Vielmehr ist es ihm eine große Ehre, dem Stammkeeper den Rücken freizuhalten. Fabian ist seit über einem Jahrzehnt großer Förderer und Vorbild zugleich für das junge Talent. "Mit meinem ehemaligen Jugendtrainer das Torhütergespann zu bilden, ist etwas ganz besonderes", erzählt der 19-Jährige nicht ohne Stolz und fügt hinzu: "Sebi hält derzeit einfach überragend und es ist für mich sehr schwer, diese Leistungen zu bestätigen."

Dass er seinen Lehrmeister im Ernstfall vertreten kann, hat Gentile bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mitte Oktober durfte er im Pokalderby gegen Alfdorf/Lorch erstmals 60 Minuten durchspielen, da Fabian an diesem Dienstagabend seinen beruflichen Verpflichtungen als Gymnasiallehrer nachging und auf einem Elternabend weilte. "Dieser erste große große Einsatz vor großem Publikum war einfach nur atemberaubend", so äußerte sich Gentile nach seiner bestandenen Feuertaufe. Mit insgesamt 15 Paraden hatte er maßgeblichen Anteil am 36:27-Heimerfolg und dem Viertelfinal-Einzug. "Vor dem Spiel habe ich während der Arbeit an nichts anderes gedacht und mir in meiner Vesperpause einige Internetvideos angeschaut, um ein paar Wurfszenen von Alfdorf aufzuschnappen", beichtet Gentile seine anfängliche Nervosität. Das notdürftige Videostudium hat dem 19-Jährigen offenbar deutlich mehr genutzt als seinem prominenten Gegenüber Dragan Jerkovic dessen jahrelange Erfahrung aus dem Profibereich. "Ihn habe ich als Jugendlicher von der Tribüne aus in der Bundesliga gesehen und hätte niemals gedacht, ihm einmal gegenüberzustehen", sagt Gentile, der dieses besondere Fernduell dennoch ausblendete: "Ich habe nur auf uns geschaut und immer versucht, meine Abwehr zu pushen. Am Ende bin ich einfach nur glücklich nur darüber, wie meine Premiere verlaufen ist."

Am unverzichtbaren Fabian führt beim TSB kein Weg vorbei, doch auch in den Ligaspielen erhält Gentile seine Einsatzzeiten und weiß dabei zu überzeugen. Beim 35:21-Auswärtserfolg in Herbrechtingen beispielsweise fügte er sich in den letzten zehn Spielminuten mit mehreren Paraden hervorragend ein und musste nur zweimal hinter sich greifen. Nicht nur Chefcoach Stefan Klaus, sondern auch der Sportliche Leiter Jürgen Rilli hält große Stücke auf das hochveranlagte Torwarttalent: "Gegen Alfdorf/Lorch wurde er ins kalte Wasser geworfen, doch es freut mich sehr, wie er sich darin bewegt hat. Er ist ein positiv Verrückter und kann es noch weit bringen."

Im allerbesten Fall könnte der junge Mann mit der angestammten Rückennummer 33 einmal in die Fußstapfen seines alten Lehrmeisters treten. Bis dahin wird voraussichtlich noch viel Zeit vergehen, verschwendet der 30 Jahre alte Fabian doch noch keinen Gedanken ans Aufhören und hat in seiner bestechenden Form sicherlich noch einige gute Saisons vor sich. Sein langjähriger Schüler scharrt im Hintergrund bereits mit den Hufen, bleibt aber demütig: "Ich kann mich bei ihm und bei den Trainern nur bedanken, dass ich immer viele wichtige Tipps im Training erhalte. Diese möchte ich immer annehmen und mich weiterentwickeln."

Irgendwann könnte der große Tag kommen, an dem er große Fußstapfen ausfüllen muss, das weiß auch Gentile. "Genau das muss sein Ziel sein, das Potenzial dazu hat er", ist Jürgen Rilli überzeugt. Von solcher Zukunftsmusik lässt sich der 19-Jährige aber nicht ablenken und richtet seine Blick viel lieber auf das Wesentliche, konkret: Das Aufstiegsrennen in der Württembergliga. Als Tabellenführer könnte die Ausgangslage für den TSB Gmünd kaum besser sein, doch sind eben erst zehn Spieltage absolviert. "Wir dürfen uns von nienamdem aus der Ruhe bringen lassen, müssen im Rhythmus bleiben und auf uns schauen. Wenn uns das gelingt, dann haben wir gute Chancen", so Gentile, dessen persönliche Reise auch gerade erst begonnen hat. Die bisherigen Leistungen sollen nur der Anfang einer erfolgreichen Karriere gewesen sein.

(Nico Schoch)