"Es braucht endlich klare Vorgaben" - BWOL-Spiele ohne Zuschauer als letzter Ausweg?

Gerade einmal vier Wochen ist die neue Handballsaison alt. Angesichts der landesweit steigenden Corona-Infektionszahlen und immer mehr Spielabsagen mehren sich auch innerhalb der Oberliga Baden-Württemberg Stimmen, den Spielbetrieb zu unterbrechen. Jan König vom TSV Weinsberg plädierte in der „Heilbronner Stimme“ zuletzt sogar öffentlich für einen sofortigen Saisonabbruch. Jürgen Rilli hingegen zeigt sich optimistisch. Der sportlicher Leiter und stellvertretender Abteilungsleiter sieht die geplante Austragung der beiden bevorstehenden Auswärtspartien seines TSB Gmünd in Neuenbürg (31.Oktober) und Steißlingen (7.November) vorerst nicht in Gefahr. Allerdings wünscht sich Rilli klare Vorgaben seitens des Verbands, wie er nach der 32:34-Niederlage in Weilstetten im Gespräch mit Nico Schoch erläuterte.

Jürgen, dieser Samstagabend war in doppelter Hinsicht bitter: Der TSB hat das Spiel beim TV Weilstetten und zugleich Marian Rascher mit einer Knieverletzung verloren. Warum hat es die Mannschaft nicht geschafft, sich für ihre Aufholjagd zu belohnen?
 
Weil wir zwar brutal gefightet und 100 Prozent Leidenschaft abgerufen haben, aber aufgrund kurzfristiger Ausfälle immer wieder improvisieren mussten. Zuerst nach der Roten Karte gegen Wolfgang Bächle und dann nach der Verletzung von Marian Rascher. In dieser Phase haben wir viel zu viel Energie verschleudert und es hat sich gezeigt, dass wir noch nicht so weit sind wie erhofft. Nicht in jeder Konstellation sind wir spielerisch auch gleich stark. Letztendlich waren wir aber auch nicht clever genug. Symptomatisch dafür war das Ende der ersten Halbzeit, als wir uns zweimal in der Abwehr den Ball erkämpfen, dann aber das leere Tor verfehlen. Durch diese unnötigen Fehler machen wir uns das Leben zusätzlich selbst schwer.
 
Wie zufrieden bist du mit der Startbilanz von 4:4 Punkten und dem Auftreten der Mannschaft insgesamt?
 
Was Trainer und Mannschaft zusammen abspielen, ist absolut hervorragend und vorbildlich. Das Auftreten bei den Heimspielen gefällt mir sogar noch einen Tick besser. Mit einer neuen Formation und einem neuen Trainer mit 4:4 Punkten in die Runde zu starten, ist für mich vollkommen in Ordnung.
Nahezu täglich prasseln neue Zahlen, Vorgaben und Bestimmungen auf die Vereine ein. Wie sehr bereitet dir die Corona-Pandemie derzeit wieder Kopfzerbrechen?
 
Das ist eine Herkulesaufgabe. Abteilungsleiter Michael Hieber und ich beraten täglich, wie wir weiter vorgehen. Letztendlich muss ich schauen, dass ich diese ganzen Themen so gut wie nur möglich von der Mannschaft fern halte. Die Jungs sollen ihre Trainingseinheiten unter den gegebenen Umständen absolvieren und den positiven sportlichen Trend weiter vorantreiben. Mein Hoffnungsschimmer ist ganz klar: Seit dem vergangenen Montag gelten die verschärften Bestimmungen und wenn diese greifen, sollte der Inzidenzwert in den nächsten zwei Wochen wieder sinken. Insofern gehe ich davon aus, dass wir die nächsten beiden Auswärtsspiele als auch unser nächstes Heimspiel am 15. November gegen Söflingen ganz normal bestreiten werden.
 
Im gesamten Verband häufen sich die Spielabsagen. Wie groß ist noch der Glaube, dass die Saison ordnungsgemäß bis zum Ende gespielt wird?
 
Das kommt ganz darauf an, wie die verschärften Maßnahmen greifen. Wenn der Inzidenzwert dann wieder nach unten geht, dann bin ich überzeugt, dass wir die Spiele machen können. Sollte es aber so weiter gehen wie bisher, bin ich mir durchaus bewusst, dass es auch uns irgendwann einmal trifft und wir ebenfalls Spielabsagen erleben werden.
 
In der spanischen Liga gab es sehr skurrile Szenen zu sehen, als die Handballer tatsächlich mit Maske spielen mussten. Welche Möglichkeiten haben Verbände und Vereine hierzulande noch, um der Lage Herr zu werden?
 
Von den Verbänden wünsche ich mir endlich eine klare, einheitliche Regelung. Ich habe mich schon tief hineingelesen, kann aber noch immer keine klaren Bestimmungen finden, Mal muss eine Mannschaft in Quarantäne, mal wieder nicht. Es braucht klare Regeln und Vorgaben, wann sich bestimmte Akteure in Quarantäne begeben und wann Spiele abgemeldet werden müssen. Das kann ich vielleicht nicht für ganz Deutschland, aber zumindest innerhalb von Baden-Württemberg erwarten.
Müssen wir uns bald wieder auf Spiele ohne Zuschauer einstellen? Was würde das für die Vereine, speziell für den TSB, bedeuten?
 
Um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, kann ich mir es gut vorstellen, vor leeren Rängen zu spielen. Wenn es letztendlich so sein muss, würden wir das aus Rücksicht vor der Gesundheit aller durchziehen. Wobei das für uns natürlich ein Horrorszenario wäre. Denn trotz der reduzierten Zuschauerzahl ist derzeit zu spüren, dass die Mannschaft eine kleine Euphorie entfacht hat. Unsere Sponsoren und Freundeskreis-Mitglieder kommen gerne in die Halle und es ist viel zu schade, dass es nur so wenige sein dürfen. Wie gesagt, meine Hoffnung besteht darin, dass wir den Inzidenzwert in den nächsten zwei Wochen wieder nach unten drücken. Dann bin ich auch überzeugt, dass wir auch wieder über 200 Zuschauer in die Große Sporthalle lassen dürfen. In diesem Fall werden wir aber sicherlich auch noch mehr Vorsichtsmaßnahmen treffen und nicht das Äußerste ausreizen.

(Text und Bilder: Nico Schoch - Porträtfoto: Jörg Frenze)