"Die bestehende Corona-Verordnung muss im Sinne des Sports überdacht werden!"

Die Inzidenzen als wesentlicher Maßstab für den Stand der Corona-Pandemie sinken derzeit kontinuierlich. Die neu erlassenen Regelungen allerdings bieten den Hallensportlern nur wenig Perspektiven. Michael Hieber, Abteilungsleiter des TSB Gmünd Handball und Vorstandsmitglied im Stadtverband Sport Schwäbisch Gmünd, wendet sich deshalb mit einem offenen Brief im Namen aller Breitensport-Vereine an die Politik. Seine klare Forderung: Alle Kinder und Jugendlichen, egal welcher Sportart, ob unter oder über 14 Jahren alt, müssen schnellstmöglich in den Trainingsbetrieb zurückkehren. "Die Auswirkungen sind jetzt schon verheerend und jeder Tag, an dem wir nicht zurückkehren, ist einer zu viel", mahnt Hieber.

Der offene Brief von Michael Hieber im Wortlaut:

Sehr geehrte Vereinsvertreter, politische Vertreter und Sportsfreunde!
 
Kinder ohne Sport und Bewegung? Das darf nicht sein! Genau das allerdings ist seit bald sieben Monaten zur traurigen Gewohnheit geworden. Unserer nachwachsenden Generation wird es strikt verboten, sich gemeinsam im Freundeskreis zu treffen und Sport zu treiben. Sollten wir aber unseren Kindern nicht genau das Gegenteil vermitteln? Dass Gemeinschaft und Bewegung etwas Schönes, ja sogar essentiell Wichtiges für unser Zusammenleben sind?
 
Gerechtigkeit und Fairness in den Vorgaben der Politik würde uns deshalb allen guttun. Leider aber warten wir vergeblich auf umsetzbare Strategien, wann und wie unser Nachwuchs das eigentlich Normalste der Welt wieder erleben darf: Das gemeinsame Sportvergnügen. Die Leidenschaft. Den Zusammenhalt. Die Gemeinschaft. Die Freundschaften.
 
Angesichts der sinkenden Inzidenzwerte wurden nun seitens der Landesregierung Öffnungsschritte in Aussicht gestellt. Von neuen Freiheiten kann in der überarbeiteten Corona-Verordnung allerdings kaum die Rede sein. Stattdessen erwartet uns Sportvereine ein bürokratischer Hürdenlauf. All die enthaltenen Vorgaben sind für Ehrenamtliche kaum zu überblicken und auf Dauer auch nicht zu stemmen. Bislang haben wir die Vorgaben der Politik in dieser schweren Zeit ohne große Widerworte hingenommen. Doch ein „Weiter so“ kann und darf es nicht mehr geben.
 
Unsere aktiven Handballer vom TSB Gmünd durften seit Ende Oktober nicht mehr gemeinsam trainieren, zum zweiten Mal in Folge wurde die Saison vorzeitig abgebrochen. Wie es weitergeht? Das kann uns niemand sagen. Weder beim Verband noch beim Kultusministerium. Viel schlimmer aber ist es um unsere Jugendarbeit bestellt, die die Basis all unserer Bemühungen darstellt. Wie schwerwiegend die langfristigen Folgen für die Kinder und Jugendlichen ausfallen, ist kaum vorstellbar.
 
„100.000 Kinder haben nicht schwimmen gelernt“ - so lautete die Schlagzeile der Stuttgarter Nachrichten an diesem Donnerstag (20.Mai), bei deren Anblick nicht nur in den Sportvereinen alle Alarmsirenen schrillen sollten. Wie sollen Kinder schwimmen, turnen oder Ballspiele erlernen, wenn die Schwimmbäder und Hallen verschlossen bleiben? 
Die geänderte Corona-Verordnung bietet für den Indoor-Sport keinerlei vernünftigen Perspektiven. Schon im Freien sind die Vorschriften realitätsfern, von einer Rückkehr in die Hallen, ist erst dann zu denken, wenn wir stabile Werte unter 50 haben. 
 
Trotz der gesellschaftlich unverzichtbaren Aufgabe, die unsere Ehrenamtler Tag für Tag erfüllen, müssen wir pausenlos feststellen, dass wir auf der politischen Bühne kein Gehör finden. Der Freizeit- und Amateursport ist den politischen Vertretern offenbar nichts wert, obwohl wir erwiesenermaßen das Infektionsgeschehen in keinster Weise nach oben treiben und der gesundheitliche Nutzen des Sporttreibens die Risiken bei Weitem überwiegt. Die Interessen von Millionen Bürgern und insbesondere unserer Kinder werden schlichtweg ignoriert. Wo soll dieser Weg hinführen?

Ich bin ein Freund davon, dass Spitzensport aktuell möglich ist. Dies lässt den Sport zumindest im TV und in den Medien weiter existent sein. Aber: Wir müssen die Kinder und auch junge Erwachsene zurück auf den Trainingsplatz bringen. Die Auswirkungen sind jetzt schon verheerend und jeder Tag an dem wir nicht zurückkehren ist einer zu viel.

Wir Vereine wünschen uns nichts anderes als eine glaubhafte Perspektive, um in naher Zukunft wieder unserem Hobby nachgehen zu können. Es braucht einen Amateur- und Freizeitsport mit klar formulierten Rahmenbedingungen. Denn bei allem Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Pandemie sollten wir nicht vergessen, dass der Sport ein unverzichtbarer Faktor ist, um die sozialen und psychischen Probleme der Zukunft zu bewältigen, die durch die Pandemie noch einmal angewachsen sind. Wir Vereine tragen die Verantwortung für unsere sporttreibenden Kinder und Jugendlichen gerne, wenn man uns denn nur die Chance dazu geben würde!

All die geltenden Vorgaben können wir als ehrenamtlich geführte Vereine logistisch gar nicht umsetzen. Punktuell mag es möglich sein, kontaktarm in Kleingruppen und unter Dauer-Testung trainieren zu dürfen. Auf Dauer aber entsteht damit aber ein Kostenfaktor, den wir nicht stemmen können. Was wir brauchen, sind praktikable Vorgaben anstatt von Zahlenschieberei. Dazu gehört auch, die über 14-Jährigen bei Inzidenzwerten über 100 nicht weiterhin kategorisch vom Sportbetrieb auszuschließen. Warum lösen wir das nicht konstruktiv und miteinander, anstatt uns hinter Paragraphen zu verstecken? ALLE unsere Kinder und Jugendlichen müssen perspektivisch in den Trainingsbetrieb zurückkehren, natürlich mit Augenmaß und Verantwortung für die Corona-Lage.
 
Wir wollen wieder Sport treiben, auf dem Spielfeld stehen, die Gemeinschaft erleben, soziale Kontakte pflegen, Erfolge feiern, unseren Sport ausüben. 

Deshalb bitte ich Sie: Die bestehende Corona-Verordnung muss im Sinne des Sports überdacht werden! Wir Sportvereine appellieren dringend an Ministerin Schopper und Minister Lucha, nach Monaten des Schweigens endlich ein klares Signal senden: PRO Freizeitsport auch in den Hallen. Ganz speziell aber für unseren Nachwuchs, der es verdient hat, endlich wieder trainieren und spielen zu dürfen.
 
Die Kinder und Jugendlichen sehnen sich danach. Bitte erhören wir sie.

gez. Michael Hieber

Abteilungsleiter TSB Gmünd Handball
Vorstandsmitglied Stadtverband Sport Schwäbisch Gmünd