Robert Rohaczek: Der Gmünder Handball gab ihm eine neue Heimat

Einen ganz besonderen Gast durften die Oberliga-Handballer des TSB Gmünd am Rande ihres kürzlich abgehaltenen Trainingslagers in der Großen Sporthalle begrüßen. Robert Rohaczek, in den 1950er-Jahren selbst aktiver Spieler der damaligen TG Gmünd, berichtete der Mannschaft von Trainer Dragos Oprea aus seiner bewegten Lebensgeschichte und hielt gleichzeitig eine besondere Geste bereit: Die Geschenke seines 90.Geburtstages stiftete er der Jugendabteilung des TSB.


Manche mögen sich an folgendes Zitat von Helmut Kohl erinnern: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Im Jahr 1995 sprach der Alt-Bundeskanzler diesen Satz aus – es ging um Vertreibung. Von der Suche nach Heimat kann auch Robert Rohaczek berichten. 1931 im tschechischen Ostrava (Ostrau) zur Welt gekommen, mussten er so wie viele Tausende Sudetendeutsche nach Kriegsende in Richtung Westen fliehen. 1946 wurde die Familie Rohaczek auch aus Österreich ausgewiesen, reiste im Viehwagen nach Deutschland und landete im Auffanglager in der Gmünder Parlersporthalle. Als 16-Jähriger begann Robert Rohaczek eine Lehre als Goldschmied.
 
Zur gleichen Zeit begann bei der damaligen TG Gmünd – dem Vorgänger des 1981 ins Leben gerufenen Großvereins TSB Gmünd – der Wiederaufbau nach dem Krieg. In den im Oktober 1949 erstmalig herausgegebenen „Vereinsnachrichten“ warb die TG in der Bevölkerung für ihr neu zusammengestelltes Sportangebot, ganz besonders im Handball. Gespielt wurde damals noch auf dem Großfeld in der Buchstraße im 11 gegen 11. Nachdem wieder ein geregelter Übungsbetrieb aufgenommen werden konnte, sorgten die Handballer von Abteilungsleiter Karl Aich mit ihren Ergebnissen für Furore und machten die TG Gmünd mit ihren Leistungen auf zahlreichen Großveranstaltungen bekannt. Mit dabei: Robert Rohaczek.
Zu den Höhepunkten dieser Zeit zählt der begabte Feldhandballer die gemeinsamen Fahrten, teilweise sogar bis nach Österreich. Während eines Auslandsaufenthaltes in der Schweiz (1951-53) spielte Rohaczek dort sogar in der damals höchsten Spielklasse. Nachdem er 1953 seinen Goldschmiedemeister gemacht hatte, stand er wieder für die TG auf dem Feld. Dort fand er auch sein privates Glück: Lore Krieg begleitete ihren Robert im Fanbus zu fast allen Spielen. Das Jahr 1954, als die TG Gmünd ihr 110.Jubiläum mit einem Einlagespiel gegen den deutschen Meister Frisch Auf Göppingen vor 2000 Zuschauern in der Buchstraße beging, wurde auch für Rohaczek selbst ein Jubeljahr: Er verlobte sich mit Lore Krieg.
 
Die Hochzeit im folgenden Jahr musste – für damalige Zeiten völlig ungewöhnlich – an einem Mittwoch abgehalten werden. Der simple Grund: Am Sonntag zuvor fand noch ein Handballspiel statt. Nach beruflich bedingten Auslandsaufenthalten in Finnland, London und der Schweiz ist das Paar seit 1966 wieder in Schwäbisch Gmünd heimisch. Gemeinsam mit seinen drei Kindern und zehn Enkeln feierte er am 28.Juni seinen 90.Geburtstag – und äußerte den Wunsch einer Spende an die Handballabteilung des TSB „in Erinnerung und Dankbarkeit an die schönen Zeiten“.
 
So kam es, dass Rohaczek am Rande des Trainings-Wochenendes in der Großen Sporthalle dem Sportlichen Leiter Jürgen Rilli sowie Trainer Dragoș Oprea den Umschlag mit einer Summe übergab, die der Jugendarbeit des TSB zugute kommen soll. Gebannt lauschten Spieler und Funktionäre den lebevollen Anekdoten des einstigen Handballasses. „Der Handball hat mir in meiner Jugendzeit Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen gegeben, viele soziale Kontakte ermöglicht und manche Tür geöffnet“ so Rohaczek: „Der Teamgeist, das familiäre Miteinander und gemeinsame tolle Erlebnisse mit der Mannschaft begleiten mich mein Leben lang.“
Jürgen Rilli, gleichzeitig stellvertretender Abteilungsleiter des TSB, zeigte sich ebenso fasziniert wie dankbar angesichts dieser einzigartigen Geste: „Dass Herr Rohaczek uns über so viele Jahrzehnte die Treue hält, darf uns mit Stolz erfüllen. Sein Beispiel zeigt uns, wie wie wichtig all diese Attribute sind, die der Sport für das Leben mitgeben kann. Seine Unterstützung bedeutet für unsere gesamte Abteilung und alle Ehrenamtlichen nicht nur eine große Ehre, sondern stellt auch eine große Motivation für die Zukunft dar.“
 
Der TSB Gmünd schätzt sich glücklich, solch treue und verdiente Weggefährten an seiner Seite zu haben und hofft, die Familie Rohaczek, sobald es die Pandemie-Lage wieder zulässt, zu den Heimspielen in der Großen Sporthalle willkommen heißen zu dürfen.
 
(Text und Bilder: Nico Schoch – Archivfoto: Rohaczek)