Cristian Marin und Stefan Czommer sind als DHB-Schiedsrichter weiterhin die Aushängeschilder des TSB Gmünd. Beide pfeifen nunmehr im fünften Jahr in der 3.Liga. Mit Benedikt Franz und Dennis Wießmeyer wurde zudem ein neues Gespann begrüßt, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass die Jets weiterhin Nachwuchs an Unparteiischen suchen.
Für den TSB in der 3.Liga an der Pfeife: Stefan Czommer (l.) und Cristian Marin (r.)
Allseits bekannte Protagonisten kommen in nahezu jedem Spielbericht zu Wort. Doch nicht nur die haben es verdient. Es soll auch gehen um die auffällig Unauffälligen auf dem Platz: Die Schiedsrichter. Wobei unauffällig zu sein, im Handball fast unmöglich ist. Von hitzigen Diskussionen sind die Referees bei jedem Einsatz begleitet, ob direkt auf dem Spielfeld oder von der Tribüne aus. Sie erhalten gemeinhin Bestnoten, wenn man sie so wenig wie möglich und so viel wie nötig wahrnimmt.
Für Cristian Marin ist die Schiedsrichterei längst zur „Lebenssache“ geworden. Zielstrebig, aber stets selbstkritisch, bescheiden und lernbereit, hat es Marin innerhalb weniger Jahre von der Bezirks- bis in die 3.Liga geschafft. Seitdem er 2004 als 16-Jähriger die Prüfung bestand, absolvierte er den typischen Schiedsrichterweg. Dabei erging es ihm wie so vielen, denen ein neuentdecktes Hobby Freude bereitet: Er blieb dabei. Parallel war er lange Zeit für den TSB als Torwart und als Jugendtrainer aktiv. „Damals hätte ich nie daran gedacht, einmal in der 3.Liga zu pfeifen und dass mir die Tätigkeit als Schiedsrichter wichtiger sein würde als selbst zu spielen“, meint Marin rückblickend. Ein Comeback zwischen den Pfosten reizt ihn längst nicht mehr, der junge Familienvater hat sich voll und ganz der Schiedsrichterei verschrieben. Seit 2013 pfeift der Schiedsrichter-Obmann des TSB im Gespann mit Stefan Czommer bis hinauf in die 3.Liga. Als „Bonus“ obendrauf kommt in der Vorbereitungszeit stets das ein oder andere Testspiel mit Bundesliga-Beteiligung.
Es handelt sich um ein in jeder Hinsicht zeitaufwändiges Hobby. Per Bahn oder Auto ist Marin mit seinem Partner in ganz Süddeutschland unterwegs. Nicht zu vernachlässigen ist der Aufwand für das auf diesem Niveau erforderliche tägliche Lauftraining. Denn Talent alleine bringt keinen Erfolg, weiß Marin: "Wir müssen so viel Sport wie nur möglich machen, um auf Augenhöhe zu bleiben, und außerdem einen entsprechenden Nachweis erbringen, dass wir etwas gemacht haben.“ Bis zu vier Einheiten absolviert er wöchentlich. Arbeitet man unter der Woche zu wenig an der eigenen Kondition, so rächt sich das umgehend am Wochenende. "Wir sind auf jeden Fall fit genug", erklären Marin und Czommer selbstbewusst, immerhin haben beide den Regeltest und den Lauftest einmal mehr souverän bestanden. Aber auch die Schiedsrichterkollegen seien durchweg fit.
Nicht zuletzt muss natürlich auch der Arbeitgeber mitspielen. Neben ihren Einsätzen am Wochenende, für die sie ein Salär vom DHB erhalten, üben Marin und Czommer natürlich noch einen Beruf aus. Obwohl selbst in der Bundesliga kein Referee alleine von der Schiedsrichterei leben kann, ist diese doch „wie ein zweiter Job“, findet Marin. Neben den Ansetzungen in der 3.Liga und im Landesverband gibt es für die Gespanne regelmäßige Schulungen im sportlichen und organisatorischen Bereich. Auch für die Persönlichkeitsentwicklung und Stressresistenz gibt es Angebote.
Besonders das temporeiche Spiel in den Profiligen verlangt den Schiedsrichtern vieles ab. Deshalb wird jede Begegnung in einer intensiven Videoschulung analysiert, um Stärken und Schwächen herauszufiltern. Dafür stellt der DHB umfangreiches Material zur Verfügung. Dabei bietet sich auch für Marin ein ganz neuer Blick auf das Spiel und die eigene Leistung: Anstatt sich nur auf der Heimfahrt zu ärgern, zu hadern oder zu diskutieren, wird jede Szene, jede Entscheidung, jede Geste seziert. Je höher ein Referee pfeift, desto mehr kommt es auch auf Teamwork im Gespann an. Marin und Czommer verständigen sich bislang ausschließlich durch Blickkontakt und Lippenlesen, hoffen aber darauf, demnächst mit Headsets ausgestattet zu werden.
Insgesamt rund 30 Spiele wird das Gmünder Gespann in dieser Saison leiten – wenn denn alles normal verläuft. In der annullierten Saison 2020/21 waren es nur acht Drittligapartien, darunter drei Einsätze bei der im Mai kurzfristig angesetzten Pokalrunde. „Das war zwar ganz nett, aber so richtig gespürt haben wir die Stimmung nicht“, blickt Marin ein Stück weit frustriert auf dieses Corona-Spieljahr zurück. Nachdem lange Zeit alle Lehrgänge nur online abgehalten wurden, durften sich die DHB-Schiedsrichter in diesem Sommer immerhin viermal wieder in Präsenz treffen. Hygienemaßnahmen und ein 3G-Nachweis natürlich vorausgesetzt. Umso größer ist die Vorfreude auf den Neustart im September: „Wir freuen uns schon extrem auf die neue Runde und hoffen, dann auch wieder vor Zuschauern Spiele pfeifen zu dürfen.“
Aus Gmünder Sicht bietet sich trotz der Pandemie ein Lichtblick. Mit Benedikt Franz (links im Bild) und Dennis Wießmeyer (rechts, beide vormals TSV Schmiden) sind zwei renommierte Unparteiische auf Marin zugekommen mit dem Wunsch, sich dem TSB anzuschließen. „Sie sind mega begeistert von der Wertschätzung und darüber, dass der Verein seinen Schiedsrichtern einen großen Teil des Equipments zur Verfügung stellt“, so Marin. Das Duo Franz/Wießmeyer pfeift ebenfalls schon seit drei Jahren in der 3.Liga und will dort auch bleiben. Denn bei den Schiedsrichtern ist es wie bei den Mannschaften – nach der Saison wird Bilanz gezogen, eine Tabelle erstellt. Über Auf- und Abstieg der Gespanne entscheiden die Beobachtungen im Verlauf einer Saison. Es fließen sowohl die neutralen Bewertungen der DHB-Beobachter als auch die Vereinsbewertungen in das Ranking ein.
Marin und Czommer standen vor zwei Jahren sogar im Aufstiegskader zur 2.Bundesliga, mussten am Ende aber anderen Gespannen den Vortritt lassen. Zu groß waren die eigenen Leistungsschwankungen, berichtet Marin: „Es war ein Versuch, der uns gezeigt hat, dass wir noch nicht so weit sind. Wir müssen uns zu noch besseren Schiedsrichtern in der 3.Liga entwickeln.“ Dennoch möchten beide diese wertvolle Erfahrung nicht missen. Zumal sie ihr wichtigstes Etappenziel erreicht haben: Sich in der Drittklassigkeit zu etablieren. "Wir sind zufrieden, die Akzeptanz ist jetzt auf jeden Fall da", so bewertet Marin die zurückliegenden Jahre: "Wenn wir auf Turnier gehen oder Vorbereitungsspiele pfeifen, dann werden wir mittlerweile ganz anders wahrgenommen und auch immer öfters von Spielern oder Trainern angesprochen."
Viel Zeit und Energie haben beide bislang für ihr Hobby investiert. Wie geht diese Karriere weiter? Marin hat auf diese Frage eine für ihn typische Antwort parat: „Die Bundesliga ist kein Ziel, sondern ein Traum.“ Ein Traum, der zumindest für die nächsten drei Jahre hinten angestellt ist, kurz. Aktuell widmet sich der frischgebackene Vater allen voran seiner Familie. Ohnehin wird es „nur ein ganz kleiner Prozentsatz wirklich in die absolute Spitze schaffen und nur ein weiterer kleiner Prozentsatz gelingt der Schritt in die 2. Bundesliga", wie der Schiedsrichterwart 3.Liga, Nils Szuka, betont. Marin ergänzt: „Sollte der Drittliga-Ausschuss uns das zutrauen, würden wir die Möglichkeit zum Aufstieg nutzen wollen. Wenn es ist nicht so kommt, ist es aber auch nicht weiter schlimm. Denn die 3.Liga ist einfach eine megageile Liga.“
Am Besten arbeiten die Unparteiischen auf dem Spielfeld, so sagen es viele der beteiligten Spieler und Verantwortlichen, wenn man sie in einer Partie gar nicht wahrnehme. Ein unauffälliger Schiedsrichter ist ein guter Schiedsrichter, heißt es oft. Marin sieht das nicht grundlegend so, er sucht oft das Gespräch auf dem Feld. Kommunikation und Menschenkenntnis stehen ganz vorne auf der Agenda: „Mit Ignorieren wird man nicht glaubwürdig. Dann können dir alle auf der Nase herumtanzen. Man muss bei aller Neutralität immer auch Emotionen zulassen und nicht direkt auf 180 gehen, sobald ein Spieler etwas sagt.“ Ein guter Schiedsrichter könne einen emotionalen Spieler dadurch vielleicht wieder einfangen, wie Marin an einem Beispiel verdeutlicht. Ein Spieler habe ihn im Frust provozierend gefragt, ob er überhaupt selbst Handball gespielt hätte. „Vor ein paar Jahren noch hätte ich ihn vermutlich hinausgestellt“, gesteht Marin. In dieser Szene aber blieb der TSB-Referee tiefenentspannt und erklärte seinem Gegenüber, dass er auch aktiv gespielt habe - „wenn auch vielleicht nicht ganz so hoch wie du.“ Diese Besonnenheit sollte sich auszahlen. Denn nach Spielende kam der betreffende Spieler auf Marin zu, um zu sagen: „Deine Reaktion war echt cool. Ich habe gemerkt, dass ich es übertrieben habe.“
Die Unparteiischen streben übrigens wie Trainer auch nach dem perfekten Spiel, nach der perfekten Spielleitung, „obwohl man weiß, dass es diese gar nicht gibt“, sagt Marin. Irgendein Zweikampf ist immer zu hart oder zu lasch bewertet, ein Schrittfehler oder Wechselfehler übersehen. Schlaflose Nächte nach entscheidenden Fehlern hat auch Marin schon erlebt. Und zwar als es darum ging, ob ein Tor zählen sollte oder nicht. „Ich als Feldschiedsrichter habe die Zeit angehalten und meinem Partner gesagt, dass der Ball aus meiner Sicht drin war. Wir haben uns beide nach dem Spiel nicht gut gefühlt, weil ich ihn überstimmt habe. Das darf eigentlich nicht vorkommen.“
Fehler passieren, doch dann gilt auch für die Schiedsrichter: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
Das ist Cristian Marin
Geboren wurde er am 8.Juli 1988. Beruf: Versicherungskaufmann. Seit 2016 ist der Gmünder DHB-Schiedsrichter. Er pfeift Spiele in der 3.Liga und Jugend-Bundesliga. In der BWOL wurden Stefan Czommer und er durch die Vereine zum besten Gespann der Saison 2016/17 gekürt. Selbst gespielt hat Marin auch: Als Torhüter für den TSB Gmünd, meist in der Zweiten Mannschaft, sogar ein Oberliga-Einsatz steht zu Buche.
(Text: Nico Schoch - Bilder: Nico Schoch, DHB)
(Text: Nico Schoch - Bilder: Nico Schoch, DHB)