„Dieser Weg mit dem TSB war für mich genau richtig“: Dragoș Oprea lässt zwei intensive Jahre beim TSB Revue passieren

Seine Verpflichtung hat sich für den TSB Gmünd als echter Coup herausgestellt – und das nicht alleine auf dem Papier. Der frühere Bundesliga- und Nationalspieler Dragoș Oprea hat dem gesamten Verein neues Leben eingehaucht und ihn innerhalb von nur zwei Jahren in die Spitzengruppe der Oberliga geführt. Nun zieht es den 40-Jährigen zum Drittligisten TSB Heilbronn-Horkheim, bei dem er einst seine Karriere begonnen hat. Zuvor aber lässt es sich Oprea nicht nehmen, im Abschiedsinterview mit Nico Schoch über die steile Entwicklung des TSB Gmünd und seine eigenen Ambitionen als Trainer zu sprechen.
 
Dodo, du hast in den vergangenen zwei Jahren aus einem beinahe sicheren Absteiger ein Spitzenteam geformt. Das klingt ja fast schon märchenhaft, oder?
 
Als ich mich für den TSB entschieden habe, war es tatsächlich so, dass wir vom corona-bedingten Saisonabbruch profitiert haben. Was Trainer vor mir gemacht haben, war für mich irrelevant. Unsere Mission war es eine Mannschaft zusammenzustellen und von meinem Handballstil zu überzeugen, um in dieser Liga besser zu bestehen. Gleichzeitig wollte ich auch im Amateurbereich eine gewisse professionelle Mentalität durchsetzen. Die harte Arbeit hat sich ausgezahlt. Es ist mir gelungen, meine Impulse und Ideen nicht nur in die Mannschaft zu bringen. Sie wurden im gesamten Verein umgesetzt und haben uns enorm weitergebracht.
 Aber dass es sportlich so gut laufen würde, damit konnte wirklich niemand rechnen...
 
... ganz bestimmt nicht. Doch ich habe frühzeitig die Problematik der vergangenen Jahre erkannt. Unser Spiel musste attraktiver werden. Attraktion bedeutet Vielfalt in den Spielhandlungen, eine aggressive harte Abwehr und schnelles Spiel nach vorne. Die Jungs haben das überragend umgesetzt.

Nach den ersten beiden Spielen in dieser Saison stand der TSB noch punktlos am Tabellenende. Hast du dir zu diesem Zeitpunkt Sorgen gemacht, dass deine Ideen nicht richtig funktionieren könnten?
 
Es war völlig klar, dass nicht alles von heute auf morgen klappen würde. Neue Abwehrsysteme zu beherrschen, braucht viel Zeit. Doch ich würde lügen, wenn ich sagen würde, die ersten beiden Niederlagen seien spurlos an mir vorbeigegangen. Da hinterfragt man sich auch selbst. Nach einigen Wochen haben die Impulse dann richtig gezündet. Oft waren wir ziemlich nahe an der Perfektion, haben wiederum aber auch einige Spiele verloren, die wir nie hätten verlieren dürfen. Wir sind eben keine Roboter.
Herz, Wille, Leidenschaft – so lautete immer deine Forderung. War dieses Gemeinschaftsgefühl wertvoller als individuelle Klasse oder teure Neuzugänge?
 
Absolut. Dieses Mannschaftsgefüge hatte für mich immer oberste Priorität. Ich wollte nie einen Superstar, der alles alleine macht, sondern die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Wir haben sehr viele Spiele nicht über die Taktik gewonnen, sondern über das Kollektiv. Das bedeutet nicht, dass die Taktik unwichtig ist. Aber wenn sie nicht so greift wie erhofft oder der Gegner gut darauf eingestellt ist, dann kommt unser Zusammenhalt zum Tragen. Wir haben gemerkt: Wenn wir als Einheit Schulter an Schulter stehen und zusammen gewonnene Bälle feiern, dann sind wir nur sehr schwer zu schlagen.
Abteilungsleiter Michael Hieber, der die Mannschaft während deiner Corona-Erkrankung interimsweise gecoacht hat, lobte das hohe Fitnesslevel. Ein weiterer Pluspunkt?
 
Es gefällt mir, wenn so kompetente Leute mit großem Handballwissen das sofort erkennen. Kein Sportler mag die Vorbereitungsphase. Doch da zeigt sich der wahre Charakter. Wir hatten sehr viele, teils auch ungewöhnliche Einheiten. Bei Dauerläufen und Sprints bei 40 Grad im Wald haben manche Spieler kurz gekotzt, sich dann den Mund abgewischt und sind weiter gerannt. Das zahlt sich irgendwann aus, wenn auch nicht sofort. Während der Saison haben wir durch unsere Ausdauer oft in der entscheidenden Phase zulegen und Spiele umdrehen können.
Du hast selbst nie über den Aufstieg geredet. Aber denkst du dir rückblickend, dass da nicht mehr möglich gewesen wäre als der fünfte Platz?
 
Selbstverständlich. Nur ging es mir immer um die Realität. Es stellt sich die Frage: Sind diese Amateurspieler, die alle berufstätig sind, überhaupt bereit für diesen nächsten Schritt und den höheren Aufwand? Wenn man auf- und dann gleich wieder absteigt, verliert man in meinen Augen mehr als man gewinnt.
Also ist das Umfeld beim TSB noch nicht bereit für den vor einigen Jahren thematisierten Drittliga-Aufstieg?
 
Von der Hallenkapazität, dem Zuschauerpotenzial und der finanziellen Basis wäre der Verein vermutlich bereit. Doch da müssen viel mehr Dinge zusammenpassen. Es gibt einige Bereiche im Verein, in denen es dann nicht alleine im Ehrenamt geht. Man kann eine andere Meinung dazu haben. Doch ich habe das Wort Aufstieg bewusst nicht in den Mund genommen, weil ich den Fokus auf meine Mannschaft lenken wollte anstatt durch solche Dinge für Unruhe zu sorgen. Der riesige Schritt in die 3.Liga kommt für den TSB, so wie ich das sehe, noch ein bisschen zu früh.
Liegt darin für dich der Hauptgrund, nun selbst den Schritt in die höhere Spielklasse zu machen?
 
Es ist zumindest ein Argument. Ich will nicht vergleichen, in welchen Bereichen Horkheim besser oder Gmünd schlechter ist. Für mich aber kam die Offerte aus Horkheim genau zum richtigen Zeitpunkt.
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber stellt man sich als ehemaliger Nationalspieler nicht automatisch höhere Ansprüche als „nur“ die Oberliga?
 
Als der TSB Gmünd mich vor zweieinhalb Jahren angefragt hat, lagen mir auch Angebote aus der zweiten Liga vor. Doch ich habe mir vorgenommen, einen Schritt nach dem anderen zu machen. In Gmünd haben mich viele Dinge sofort angesprochen, zumal es eine attraktive und lehrreiche Liga ist. Dieser Weg, den ich beim TSB eingeschlagen habe, war und ist für mich bis heute der richtige Weg und ein wichtiger Schritt zum Start meiner Trainerlaufbahn.
Ganz konkret gefragt: Strebst du eine Trainerkarriere in der Bundesliga an?
 
Genau deshalb mache ich nun den Schritt in die 3.Liga. Dort bin ich schon näher an der Professionalität. Mein persönliches Ziel ist es, immer höher und höher zu klettern. Zeitnah möchte ich auch meine A-Lizenz machen, um irgendwann mindestens in der Bundesliga zu trainieren. Darüber kommt dann nur noch der Nationaltrainer (lacht).
Bis vor zwei Jahren hast du noch die C-Jugend des TV Bittenfeld trainiert und konntest gar keine Erfahrungen im Aktivenbereich vorweisen. Der Vertrauensvorschuss der Verantwortlichen beim TSB muss ziemlich groß gewesen sein.
 
Auf jeden Fall. Deshalb möchte ich nochmals betonen, wie froh und dankbar ich bin, diese Mannschaft formen zu dürfen. Es war eine mutige Entscheidung, doch ich denke nicht, dass der Verein ein Risiko mit mir eingegangen ist. Alle Spieler haben meine Hilfe angenommen und sind in ihrer Entwicklung nach vorne gekommen. Eric Zimmermann und Patrick Watzl sind nur zwei Spieler, die herausgestochen sind. Dass es im Laufe der Zeit auch einmal verschiedener Meinungen gibt, ist ganz normal. Wichtig ist nur, immer am gleichen Strang zu ziehen. Das hat immer funktioniert und hat mir gezeigt, dass man gemeinsam etwas bewegen möchte.
Welche Dinge würdest du rückblickend anders machen?
 
Gerne hätte ich die 3-2-1 Abwehrformation mehr forciert und perfektioniert. Allerdings hatten wir sehr früh mit langwierigen Verletzungen zu kämpfen und mir haben Schlüsselspieler gefehlt, die diese kraftraubenden Positionen in der offensiven Deckung einnehmen könnten. Da braucht es viele Pausen, die einfach nicht möglich waren. Viele Spieler waren nach so einer kurzen Zeit auch noch nicht dazu bereit.
Was sind die Lehren, die du für deine Trainerlaufbahn mitnimmst?
 
Über allem steht eine enge und ehrliche Verbindung zu den Spielern. Eine Mannschaft ist nichts ohne ihren Trainer, genauso ist ein Trainer nichts ohne seine Mannschaft. Aber ich ohne meine Mannschaft bin wertlos und umgekehrt genauso. Bei allem was passiert ist, habe ich gemerkt, dass manches ein bisschen mehr Zeit braucht. Es geht nicht nur mit einem Fingerschnipsen. Entscheidend ist es, sein Ziel stets vor Augen zu behalten. Wenn man hartnäckig und konsequent an sich arbeitet, dann werden die Erfolge früher oder später kommen.
Wie siehst du die Zukunft des TSB Gmünd?
 
Sofern es die Zeit zulässt, werde ich immer gerne als Fan in die Halle kommen. Denn der Weg ist noch lange nicht zu Ende. Durch den Trainerwechsel, ich kenne Michael Stettner nicht näher, wird eine neue Denkweise einkehren. Dem müssen sich die Spieler ein Stück weit anpassen. Wenn man höhere Ziele anstrebt, dann müssen alle Bausteine zusammenpassen.
Wenn du dir einen Spieler aussuchen dürftest, wen würdest du gerne mitnehmen?
 
Marian Rascher verkörpert genau das, was ich mir von einem Teamplayer vorstelle. Ich habe ihn immer gerne meinen Löwen genannt. Er weiß selbst, dass er im Angriff nicht immer die besten Spiele gemacht hat. Doch er ist ein echter Anführer und nicht nur spielerisch, sondern auch in der Kabine für die Motivation immens wichtig. Sein Abgang ist ein sehr großer Verlust für den TSB.
Wie groß ist deine Wiedersehensfreude mit Jugendverein TSB Heilbronn-Horkheim?
 
Obwohl ich 1999 von dort weggegangen bin, kenne ich immer noch sehr viele Leute im Verein. Ich weiß, dass man sich von mir als Trainer sehr viel erhofft. Es gibt dort nun einen personellen Umbruch, natürlich habe ich auch schon einige Gespräche geführt. Mein Vorgänger Michael Schweikardt hat gute Arbeit geleistet und mir gut ausgebildete Spieler hinterlassen, die ich hoffentlich zum nächsten Schritt führen kann. Die Ziele werden wir noch besprechen, denn bisher lagen meine Prioritäten einzig und alleine in Gmünd. Ich habe keine einzige Einheit verpasst, nur um beim neuen Verein zu sein.
Heilbronn-Horkheim ist in dieser Saison nur knapp der Abstiegsrunde entgangen und beendete die Pokalrunde als punktloser Tabellenletzter. Ähnlich wie bei deinem Start in Gmünd könnte man sagen: Es kann nur besser werden, oder?
 
Das stimmt. Ich werde weiterhin meine Linie verfolgen und die Spieler mit meinen Ideen impfen. Es stellt sich die Frage, wie schnell sie meine Philosophie verinnerlichen und wie lange es dauert, bis wir zünden. Bei der Infrastruktur und den Sponsoren bietet Heilbronn ein breiteres Spektrum, doch das Finanzielle ist nicht immer das Entscheidende. Ich treffe auf junge, hungrige Spieler und wir müssen Stück für Stück zusammenwachsen.
Wird es in Zukunft einmal das Duell TSB Horkheim gegen TSB Gmünd geben?
 
(schmunzelt) In meinem Leben haben ich so viel erlebt und gesehen. Deshalb sage ich nur: Es ist alles möglich. Der TSB Gmünd ist das beste Beispiel dafür.
Das letzte Wort gebührt dir, Dodo.
 
Nach den 15 Jahren in Göppingen ist das nun mein zweitgrößter Abschied. Das fällt mir nicht einfach. Unseren Physios Manoj Chamakala und Nina Sos, unseren treuen Betreuer Anita Abt, Wolfgang Mühleisen, Manuel Zaksek, den Fans, den Familien, natürlich meinen beiden Lieblingen, den Hausmeistern Branka Grützmacher und Peter Künstler – allen, die unseren Weg mitgegangen sind, möchte ich einfach nur Danke sagen. Es haben sich echte Freundschaften entwickelt und ich bin mir sicher, dass der Kontakt weiter bestehen wird. Ich habe gemerkt, dass man in Gmünd nicht nur Handball spielt, sondern diesen Sport wirklich liebt und lebt. 
Das Interview führte Nico Schoch, als Fotograf begleitete Enrico Immer (@rico.handballfotos) die TSB Jets während der gesamten Saison - vielen Dank!